Nationalelf verliert gegen Argentinien: Löws Philosophie stößt an ihre Grenzen

Natürlich, der Kick gegen Argentinien war nur ein Freundschaftsspiel - wenn auch eines, in dem es im hohen Maße ums Prestige ging. Zugegeben, das 1:3 kam kurios und unglücklich zustande, noch dazu in Unterzahl. Trotzdem: Nach dem Spiel bleibt ein schaler Beigeschmack - vor allem, nachdem Bundestrainer Joachim Löw zu Beginn der Woche doch so vollmundig "seine Meinung gesagt", die Kritiker kritisiert und den eingeschlagenen Weg als prinzipiell richtig bezeichnet hatte. Nach der Niederlage gegen die Gauchos zeigten sich die meisten befragten Nationalspieler kaum unzufrieden. Angefressen wirkten allein der bisher in seinen beiden Länderspielen glücklose Gladbacher Torwart Marc-André ter Stegen und dessen großes Vorbild, der frühere Torwart-Titan und heutige TV-Experte Oliver Kahn. "Ich muss doch mal unzufrieden sein!", wetterte der im ZDF - zu Recht!

Denn bei aller Offensivkraft, die die Nationalelf auch gegen Argentinien phasenweise wieder gezeigt hat, wird ein Mangel in der Mannschaft immer deutlicher: "Schon in den letzten Monaten hat sich gezeigt, dass die Mannschaft in der Defensive immer wieder Probleme hat", legte Kahn den Finger in die Wunde. Damit trifft er den Punkt. Tatsächlich war die Abwehr schon während der EM - damals in Bestbesetzung - alles andere als sattelfest (was auch stern.de seinerzeit feststellte). Das fiel dank genügend eigener Tore beispielsweise im Spiel gegen Griechenland nicht weiter ins Gewicht, bei der Halbfinalniederlage gegen Italien war es entscheidend. Hier bewahrheitete sich eine alte Fußballweisheit: Titel gewinnt die Defensive. "Wir wissen alle, was große Mannschaften brauchen. Das ist eine Kompaktheit, eine Stabilität im Defensivbereich", formulierte es Kahn am Mittwochabend.

Ausweg verzweifelt gesucht

Natürlich weiß das auch Jogi Löw. Es erstaunt allerdings, wie zurückhaltend der Bundestrainer auf dieses Thema reagiert. Im ZDF-Studio stand er regelrecht verdruckst neben Kahn, der seinen zuvor bereits geäußerten Ärger gegenüber Löw in höflich-zurückhaltender Form nochmals formulierte. "Es ist schwer, es auf den Punkt zu bringen, was alles passiert ist in diesem Spiel. Der Spielverlauf war einfach gegen uns", analysierte Löw dann dünn. Es klang ein wenig nach: "Lösung verzweifelt gesucht!" Und dies nicht nur, weil ihm - im Gegensatz zur Offensive - das Personal fehlt, sondern auch, weil ihm erneut taktische Fehler vorgeworfen werden können. Gegen Italien war es die Hereinnahme von Toni Kroos, die der Mannschaft ihre Stärken nahm; gegen Argentinien war es das fast ungebremste offensive Spiel in Unterzahl. "Wir haben zu früh das Zentrum aufgemacht", gab Löw später gegenüber der Nachrichtenagentur DPA zu, "das war in Unterzahl gar nicht nötig. Das müssen wir besser machen, keine Frage."

Nur wie? Löw scheint bei der Suche nach einer Antwort ungewohnt unsicher. Die Defensivschwäche ist im Grunde das erste wirklich anhaltende Problem, mit dem der Bundestrainer in seiner Amtszeit konfrontiert wird. Der offensive und begeisternde Fußball der Mannschaft in Schwarz und Weiß hat lange Zeit die Entwicklung in der Abwehr überdeckt. Jetzt fehlen die personellen Alternativen, da viele Bundesligisten im Defensivverbund auf ausländische Spieler setzen - wohl nicht zuletzt, weil sich der deutsche Nachwuchs nicht aufdrängt. Will er den Traum von einem Titel nicht insgeheim begraben, muss Löw nun einen Weg suchen, trotz dieser Situation der Mannschaft jene Stabilität zu verschaffen, die Kahn fordert und die erstklassige Gegner vor Probleme stellt. Es steht zu befürchten, dass dies nur auf Kosten der attraktiven Spielweise geht.

Für Joachim Löw bedeutet das: Seine Spielphilosophie des frischen und offensiven Fußballs stößt an ihre Grenzen. Für ihn wie für uns Fans stellt sich die Frage: Wollen wir begeisternden Fußball sehen oder einen Titel feiern? Beides zusammen schaffen im Moment nur die Spanier.

P.S. Fanden Sie Oliver Kahns Kritik zu hart oder gerechtfertigt? Diskutieren Sie mit in der Fankurve, unserer Seite für Fußballfans auf Facebook."

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