Davis Cup: Start ins Ungewisse mit Abenteurer Arriens


Auf seiner persönlichen Internetseite bietet Carsten Arriens auch dieser Tage noch seine Dienste als „Gesundheitscoach“ und „Personal Trainer“ an. Und was er potenziellen Kunden dort als Service darlegt, könnte auch in seinem Bewerbungsschreiben als Bundestrainer fürs deutsche Herrentennis gestanden haben – etwa die „optimale Gestaltung von Ent- und Anspannung in herausfordernden Lebensbereichen“, der „bessere Umgang mit körperlichen Stresssymptomen“ oder auch das Therapieziel „körperliche Leistungsfähigkeit und Balance“.

 

Keine gewichtige Rolle im Davis Cup

 

Nach einem Jahr der Eitelkeiten, Eifersüchteleien und Egoismen, nach Monaten voll Kabale und Hiebe und dem Abgang von Davis-Cup-Teamchef Patrik Kühnen amtiert der gebürtige Frankfurter Arriens nun am kommenden Wochenende erstmals als Bank-Direktor in einem brisanten Länderspiel der deutschen Auswahl. Ob Arriens und sein Reisetrupp allerdings in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires in ein nervenzehrendes Erstrunden-Match und massive Stressbewältigung verwickelt werden, bleibt abzuwarten – gegen die aufs Sandplatztennis spezialisierten „Gauchos“ stehen die Deutschen bloß in der Rolle ambitionierter Außenseiter da. Bei der „Bamberger Stunksitzung“, dem völlig missratenen Davis-Cup-Auftaktspiel der vergangenen Saison, hatte die DTB-Nationalmannschaft jedenfalls nichts zu bestellen gegen Argentiniens Topstars (Endergebnis: 1:4).

 

Arriens ist der erste deutsche Davis-Cup-Coach seit bald drei Jahrzehnten, der in diesem ältesten Nationenwettbewerb des Sports selbst keine  gewichtige aktive Rolle eingenommen hat. Auf Wilhelm Bungert, Niki Pilic, Boris Becker, Charly Steeb, Michael Stich und Patrik Kühnen folgt mit dem Wahl-Kölner ein Mann, der es in seiner Profikarriere knapp an die Top-100er-Grenze brachte (109) und der vor 21 Jahren im brasilianischen Guaruja seinen ersten und einzigen ATP-Titel gegen Spaniens Weltklassemann Alex Corretja gewann. Arriens war einer jener unverdrossenen, leicht verschrobenen Tennis-Globetrotter, die ohne Aussicht auf die ganz große Karriere die Kontinente bereiste, oft zu Gast auf kleineren und kleinsten Bühnen in der Provinz. Was die Problematik der „Ent- und Anspannung in herausfordernden Lebensbereichen“ anging, war er selbst leicht verhaltensauffällig: Gleich viermal wurde der Berufsspieler und Abenteurer disqualifiziert, meist, weil er Schläger zertrümmerte oder mit dem Arbeitsgerät um sich warf. 1999 beendete er seine ziemlich unscheinbare Karriere bei den „Wilhelmshöhe Open“ in Kassel mit einem Match gegen den früheren French-Open-Finalisten Martin Verkerk (Niederlande).

 

Kein Nationalgedanke bei Arriens

 

Seine wild-rebellische Attitüde legte Arriens später als Trainer ab. Bei seinen Engagements, ob nun als Bundesliga-Coach für den mehrfachen Meister Kurhaus Aachen oder als Privattrainer etwa von Tommy Haas oder Alexander Waske, erschien er von eher sanftmütiger Natur – und auch als ausgleichender Moderator von Konflikten. Als Chef des zuletzt zerstrittenen Davis-Cup-Haufens setzt der neue Mann auf eine Verantwortungsgemeinschaft zwischen Trainer und Team, „mündige Athleten, die den Mund aufmachen, gefallen mir“, sagt er. Mutig, überraschend oder anachronistisch, je nach Weltsicht, wirken seine Äußerungen zum Länderkampf Davis Cup – mit dem Nationalgedanken könne er wenig anfangen, er werde die Nationalhymne auch nicht mitsingen bei den Matches, sagt der Herren-Abteilungsleiter und findet, es sei „keine Leistung“, in Deutschland auf die Welt gekommen zu sein. Im übrigen, das wird er nicht müde zu betonen, habe er sich im vergangenen Jahrzehnt mit „bedeutenden, existenzielleren Fragen“ beschäftigt und auch „mit viel Meditation“.

 

In der Realität des ersten Februar-Wochenendes muss Arriens sehen, dass er seine einzeln oft mittelmäßig daherkommenden Hauptdarsteller zu einem wenigstens kampfbeseelten Team zusammenschweißt, das auch aus einer drohenden Niederlage in Argentinien etwas Selbstbewusstsein mitnehmen könnte. Viel kommt auf den zurückgekehrten Philipp Kohlschreiber an, der sich 2012 nur einmal als Häuptling bewiesen hatte, nämlich als klammheimlicher Anführer des Aufstands gegen Kühnen. Arriens kann überdies nur hoffen, dass sein zweiter anvisierter Einzelkämpfer Florian Mayer aus dem tiefen Tief seines Auftritts in Melbourne gefunden hat – dort war der launische Bayreuther in der ewiglichen Berg- und Talfahrt seiner Karriere gerade mal wieder auf Grund gelaufen. Es wäre schon eine gute Nachricht, wenn der Mental- und Gesundheitscoach in Arriens viel zu tun kriegen würde in den drei Davis-Cup-Tagen von Buenos Aires. (Text: JA; Foto: Jürgen Hasenkopf)

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