Argentinien: Falkland-Konflikt lenkt von Krise ab

Argentinien hat den seit Jahren schwelenden Falkland-Konflikt mit Großbritannien neu entfacht, schreibt die Zeitung "Kommersant" am Mittwoch.

Der argentinische Vizeaußenminister Eduardo Zuain warf London auf einer UN-Abrüstungskonferenz in Genf vor, gegen den Vertrag über das Atomwaffenverbot in Lateinamerika zu verstoßen. Die Briten sollen in das umstrittene Gebiet U-Boote verlegt haben, die mit atomwaffenfähigen Raketen ausgerüstet werden können.

Zugleich verwies Zuain darauf, dass die Briten bereits während des Falklandkriegs 1982 Schiffe mit Atomwaffen in den südlichen Atlantik geschickt hatten, was ein internationales Abkommen von 1967 untersagt. Zugleich äußerte der argentinische Diplomat Besorgnis über die Präsenz von 1500 britischen Soldaten auf den Inseln, auf denen knapp 3000 Zivilisten leben.

Experten vermuten, dass die argentinische Regierung von ihren großen Wirtschaftsproblemen ablenken will. Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner wird häufig nationalistischer Populismus vorgeworfen.

„Die Behörden in Buenos Aires greifen das Thema Falklandinseln immer dann auf, wenn sie innenpolitisch davon profitieren können“, so Pjotr Jakowlew vom Institut für Lateinamerika. „Cristina Kirchner will zum dritten Mal für die Präsidentschaft kandidieren. Zu diesem Zweck müsste jedoch die Verfassung geändert werden, was ohne die Unterstützung der Bevölkerung unmöglich wäre. Diese Unterstützung erkauft sie sich, indem sie Subventionen und neue Privilegien verteilt, was aber die Haushaltsausgaben steigen lässt.“ Dabei sei die aktuelle Wirtschaftssituation in Argentinien alles andere als positiv, äußerte der Experte: Die Inflationsrate wachse ständig, der Wachstumsmotor stottere, die Staatsschulden seien nach dem Wirtschaftskollaps 2001 immer noch nicht umgeschichtet worden, während ausländische Investoren fernbleiben. Nicht zu übersehen sei Kirchners Entscheidung im April 2012, die dem spanischen Konzern Repsol gehörende Ölgesellschaft YPF zu verstaatlichen, ergänzte Jakowlew.

London begegnet den Eskapaden der Argentinier gewöhnlich mit Diplomatie. Das Thema Falklandinseln stand Anfang dieser Woche auf der Tagesordnung eines Treffens zwischen dem britischen Premier David Cameron und dem neuen US-Außenminister John Kerry. Nach dem Gespräch äußerte sich Kerry zurückhaltend: „Die USA akzeptieren, dass die Inseln de facto von Großbritannien verwaltet werden, beziehen aber keine Stellung zu diesem Konflikt.“ Gleichzeitig rief der US-Chefdiplomat London und Buenos Aires zu einem „praktischen Dialog“ auf.

Im März findet auf den Falklandinseln ein Referendum statt, bei dem die Einwohner über den „aktuellen politischen Status als Territorium des Vereinigten Königreichs“ abstimmen werden. Jakowlew vermutet, dass die meisten sich für den Status quo entscheiden werden. Er schloss jedoch nicht aus, dass sie „weiterreichende Autonomierechte bis hin zur Quasi-Unabhängigkeit“ fordern werden. „Dann wären Argentiniens Forderungen noch weniger begründet. Denn die eine Sache ist es, eine Änderung des Status eines Territoriums von einer Kolonialmacht zu verlangen. Etwas ganz anderes ist es aber, Ansprüche auf das Territorium eines unabhängigen Staates zu haben“, so der Experte.

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