Wiedersehen mit verschleppten Kindern

Der heute 38-jährige Mario Bravo hat seine Mutter wiedergefunden. Nicht sie hatte ihn gesucht, sondern er sie. Acht Jahre dauerte die Suche. Ob das Kennenlernen ein Glück ist, wird sich zeigen. Mario wuchs bei Unterstützern der Militärjunta auf. Und seine Mutter wurde gezwungen, für immer zu schweigen. Ob sich die beiden, die einander am Dienstag erstmals kennenlernten, fotografieren lassen, war am Abend noch unklar.

Folter

Die meisten Mütter und Väter verschleppter Kinder wurden während der Militärdiktatur unter General Jorge Rafael Videla 1976 bis 1981 nach Folter aus Hubschraubern ins Meer geworfen.



Die Mutter des 38-jährigen Mario Bravo hat durch ein Wunder überlebt. Während ihrer zweijährigen Haftstrafe in der nordargentinischen Provinz Tucuman brachte sie 1977 einen Buben zur Welt, Mario, der ihr sofort weggenommen wurde. Normalerweise wurden die Mütter ermordet, Marios Mutter wurde so eingeschüchtert, dass sie bis vorige Woche geschwiegen hat.

Vielen Frauen wurde damals versprochen, dass sie nicht gefoltert würden, wenn sie schwanger werden. Viele Frauen wurden auch von ihren Folterern vergewaltigt, dann jedoch trotzdem ermordet.

Die Großmütter des Platzes der Mairevolution, die Abuelas de Plaza de Mayo, haben Mario Brava bei seiner Suche nach seiner Identität geholfen. Sie ziehen Psychologen bei. Immer. Die Madres und Abuelas de Plaza de Mayo haben schon während der Diktatur jeden Donnerstag vor dem Regierungspalast demonstriert. Sie wollten wissen, was mit ihren Kindern und Enkelkindern geschah. Mit ihren weißen Kopftüchern machten sie weltweit auf die Menschenrechtsverletzungen in Argentinien aufmerksam.

Die meisten der schätzungsweise 500 geraubten Kinder wurden in den Familien von Militärs und Polizisten groß. Es gab allerdings auch Familien, die von der Herkunft der Kinder nichts wussten. Viele Kinder hatten auch liebevolle Ersatzeltern und müssen jetzt feststellen, dass ihre Adoptivväter möglicherweise an der Ermordung ihrer leiblichen Eltern beteiligt gewesen sein könnten. Ein Kreislauf des Leidens. Auf Initiative der Abuelas, deren 85-jährige Präsidentin Estela de Carlotto ihren eigenen Enkel Guido erst im Vorjahr fand, wurde bald nach der Rückkehr des Landes zur Demokratie eine "Nationale Genetische Datenbank" eingerichtet, die die DNA-Infos von Familien speichert, die ihre Enkelkinder suchen. Im Jahr 1987 wurde das erste Kind gefunden, das in Gefangenschaft geboren worden war, bis heute sind es 119.

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