Wende auch in Venezuela: Wahlschlappe der Linken 14 Tage nach Argentinien

Die Parlamentswahl in Venezuela bedeutete für die regierende sozialistische PSUV (Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas) eine herbe Niederlage. In den letzten Wochen vor der Wahl am 6. Dezember 2015 lieferten sich PSUV und das Oppositionsbündnis MUD (Tisch der demokratischen Einheit) einen Wahlkampf, der von beiden Lagern mit erbitterter Härte geführt worden ist. Dabei geriet der sogenannte nationale Wahlrat, Consejo Nacional Electoral, in die Kritik der aus Konservativen der COPEI und der sozialdemokratischen Acción Democrática zusammengesetzten MUD. Diese befürchtete, der Wahlentscheid könnte manipuliert werden und begründete ihr Misstrauen mit der Nähe des Wahlrats zur Regierungspartei PSUV.

Gastbeitrag von Michael Johnschwager

Die Umfragen wiesen einen Vorsprung der MUD aus. Dass dieser nun derartig fulminant ausfiel, kam für viele einem Erdrutsch gleich. Dass der Zusammenschluss der oppositionellen Kräfte einen immensen Zulauf verzeichnete, ließ deren Herzen höher schlagen. Mit 112 (67 Prozent) der insgesamt 167 Parlamentssitze wird das Oppositionsbündnis Anfang Januar 2016 in die Asamblea Nacional einziehen. Allein diese neue Mehrheit im Parlament verdeutlicht, dass diese auch das Votum von Menschen erhielt, die nicht auf der Sonnenseite stehen. Die ins Parlament einziehenden neuen Abgeordneten werden sich rasch darauf verständigen, einen Termin für eine Volksabstimmung anzuberaumen, um Präsident Nicolás Maduro abzusetzen. Dazu bedarf es lediglich einer Drei-Fünftel- Mehrheit, also 99 Sitzen (60 Prozent).

Unbeliebter als Hugo Chávez

Maduro übernahm die Präsidentschaft von seinem 2012 verstorbenen legendären Amtsvorgänger, „Comandante“ Hugo Chávez. Obwohl von diesem zum Wunschkandidaten erkoren, konnte Maduro nicht an das Charisma von Chávez anknüpfen. Die Venezolaner standen „dem Kolumbianer“ von Anfang an skeptisch gegenüber, da bei vielen von ihnen Zweifel an der wirklichen Nationalität ihres Präsidenten nicht verstummen wollten. Gerüchte besagen, er stamme aus Cúcuta, Hauptstadt des an Venezuela grenzenden kolumbianischen Departamentos Norte der Santander.

Maduro ging rasch auf Konfrontation zu den Unternehmern des Landes. Diese bezichtigte er, Waren und Dienstleistungen absichtlich knapp zu halten. Den bedeutenden Hersteller von Lebensmitteln und Bierbrauer POLAR belegte er mit empfindlichen Sanktionen.

Die PSUV hatte sich der Aufgabe verschrieben, die absolute Armut zu bekämpfen und kann auf diesem Gebiet Fortschritte anführen. Priorität setzte die Regierung bei der Schaffung sozialen Wohnraums. Mit dem ambitionierten Programm „Grán Misión Vivienda Venezuela“ wurde der soziale Wohnungsbau intensiv gefördert. Tausende venezolanischer Familien erwarben kreditfinanzierte Wohnungen zu moderaten Bedingungen.

Sozialistische Mangelwirtschaft

Dennoch waren es in erster Linie die bedürftigen Schichten der sozial tief gespaltenen Nation, die den höchsten Tribut entrichteten: Die Spirale einer unaufhörlich fortschreitenden Inflation, die sich offiziellen Angaben zufolge im zu Ende gehenden Jahr auf 80 Prozent auswuchs. Diese Zahl ist geschönt, die Inflationsrate liegt in Wirklichkeit doppelt so hoch. Da konnte eine dreißigprozentige Anhebung von Löhnen und Gehältern keine nennenswerte Erleichterung für die Haushaltskasse schaffen.

Die Mangelwirtschaft traf hingegen arm und reich in gleichem Maße. Auch in den wohlhabenden Wohngegenden des östlichen Caracas standen die Menschen nach Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs schon zu Tagesanbruch an. Die Schlange wuchs im Verlauf des Vormittags leicht auf 100 Meter an.

Somit liegt auf der Hand, dass die künftige Führung massive Hürden wird nehmen müssen, um eine aus dem Ruder gelaufene Wirtschaft wieder ins Lot zu bringen. Und sie wird sich auch der Erwartungshaltung derjenigen Venezolaner nicht verweigern können, deren Ruf nach einer sozialen Besserstellung nicht verhallen wird. Sie werden unter anderem ihren Anspruch auf Zugang zu Bildung aufrecht erhalten, unabhängig von den Einkommensverhältnissen.

Michael Johnschwager, 1949 in Hamburg geboren, war als Außenhandelskaufmann von 1980 bis 1990 in Kolumbien, Venezuela und Honduras privatwirtschaftlich, sowie in Entwicklungsprojekten in Costa Rica in beratender Funktion im Einsatz. Seit 2004 ist Johnschwager als fremdsprachlicher Dozent und Autor mit Schwerpunkt Lateinamerika freiberuflich tätig. Für Unzensuriert.at schrieb er außerdem:

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