Einblick in britische Archive

ali. Dublin Die britische Regierung unter der Führung von Margaret Thatcher war nach der Invasion der Falklandinseln durch argentinische Truppen am 2. April 1982 wesentlich flexibler, als es damals schien. Dies hat ein Einblick in Dokumente ergeben, die am Freitag nach Ablauf der 30-jährigen Sperrfrist veröffentlicht wurden.

Unter dem Druck des amerikanischen Präsidenten Reagan und seiner Administration war Thatcher bereit, nach einem freiwilligen Rückzug der Invasionstruppen eine Beteiligung argentinischer Repräsentanten bei der Verwaltung der Inseln zu gewähren. Anschliessende Verhandlungen hätten dann die Souveränitätsfrage endgültig regeln sollen. Doch die britischen Angebote wurden von der argentinischen Militärjunta verworfen. Appelle Reagans in letzter Minute, eine Demütigung Argentiniens zu vermeiden, verhallten allerdings in London ungehört.

Im Oktober desselben Jahres, bloss vier Monate nach der erfolgreichen Rückeroberung der Inseln durch ein britisches Expeditionskorps, wurde Thatcher hinter verschlossenen Türen von einem Untersuchungsausschuss unter Lord Franks befragt. Die Mitschrift dieser Aussagen war bisher nicht zugänglich. Thatcher gibt zu, dass sie den Ernst der Lage erst wenige Tage vor der tatsächlichen Invasion, die sie für undenkbar gehalten hatte, erkannte. Sie erläutert ferner, dass keineswegs sicher sein konnte, dass die Rückeroberung gelingen würde.

Die veröffentlichten Dokumente sind zum Teil zensiert oder geschwärzt. Es fehlen zusätzliche Angaben über die wohl umstrittenste Episode des Krieges. Am 2. Mai wurde der argentinische Kreuzer «Belgrano» von britischen Torpedos versenkt. Über 320 argentinische Seeleute verloren dabei ihr Leben. Der Einsatzbefehl wurde indessen nicht vom Kabinett, sondern von Thatcher und zweien ihrer Minister am Rande einer Kabinettssitzung erteilt.

Die neu zugänglichen Papiere enthalten auch absurde Aspekte. So befürchtete Thatcher – irrtümlich – eine Invasion Gibraltars durch die Spanier. Ferner wurde ernsthaft erwogen, die britischen Mannschaften aus der Fussball-Weltmeisterschaft in Spanien zurückzurufen, um eine Begegnung mit Argentinien zu vermeiden.

In der Rückschau – und das ist nicht neu – erweist sich das Falkland-Abenteuer als Elixier für Thatchers politische Karriere. Bis zur erfolgreichen Rückeroberung waren die Premierministerin und ihre konservative Partei höchst unpopulär. Ein Jahr später wurde sie als Retterin des Vaterlandes auf triumphale Weise im Amt bestätigt.

Die Dokumente zeigen indessen auch, wie erfolgreich Margaret Thatcher ihren eigenen Mythos als unbeugsame, prinzipienfeste Politikerin aufbaute. Der Blick hinter die Kulissen enthüllt eine wesentlich pragmatischere Premierministerin, die ihre Risiken und Erfolgschancen sorgfältig abwog. Dieser Eindruck lässt sich auch beim nachträglichen Studium ihrer innenpolitischen Entscheidungen gewinnen. Gewiss, sie stand – als letzte britische Premierministerin – noch ganz in der imperialen Tradition, aber tollkühn war sie nicht.

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