Die Staatspräsidentin von Argentinien, Cristina Fernandez de Kirchner. (Bild …

Buenos Aires, 11. August. Ergebene Anhänger bejubeln Präsidentin Cristina Kirchner. An jenem Sonntag fanden in Argentinien die Primarias statt, die Vorwahl der Parlamentswahl.

"Unser Bündnis "Front für den Sieg" ist als einzige politische Kraft in allen 23 Wahldistrikten Argentiniens vertreten. Ich denke, bei der Parlamentswahl im Oktober können wir dieses Ergebnis wiederholen oder sogar steigern, und unsere Mehrheit im Kongress vergrößern."

Cristina Kirchners strahlender Auftritt am Abend der Vorwahl ließ auf einen Triumph des Regierungsbündnisses schließen. Doch die Realität sah anders aus. Kirchners "Frente para la Victoria" - "Front für den Sieg" - errang nicht einmal ein Drittel der Stimmen - zwei Jahre, nachdem die Präsidentin mit 54 Prozent wiedergewählt worden war. In den wichtigsten Distrikten des Landes unterlag Kirchners Bündnis, allen voran in der Schlüsselprovinz Buenos Aires, in der fast 40 Prozent der Wählerschaft Zuhause sind. In der gleichnamigen Hauptstadt landete die "Front für den Sieg" nur auf Platz drei. Was die Präsidentin als Sieg verkaufte, war eigentlich eine deutliche Schlappe, die sich bei der Parlamentswahl Ende Oktober wiederholen könnte. Sergio Berensztein vom Meinungsforschungsinstitut Poliarquía:

"Meiner Meinung nach gibt es keinen Grund dafür, warum die Argentinier im Oktober anders wählen sollten, denn an den Ursachen für ihre Entscheidung wird die Regierung in zwei Monaten nicht viel ändern können. Aber natürlich muss man vorsichtig mit Prognosen sein und das Wählervotum abwarten."

Die Ursachen sind vielfältig. An erster Stelle steht die Wirtschaftspolitik, die inzwischen eine Mehrheit der Argentinier für missglückt hält. Das Land leidet unter einer Mega-Inflation, die unabhängigen Experten zufolge bei 25 Prozent jährlich liegt. Die Regierung Kirchner hat den Kauf von US-Dollars beschränkt - der Währung also, in der die meisten Argentinier sparen, weil ihr Peso stetig an Kaufkraft verliert. Das jahrelang hohe Wachstum ist zurückgegangen, die Devisenreserven sind geschrumpft. Marcos Novaro, politischer Analyst:

"In den Umfragen ist das persönliche Image von Cristina Kirchner nicht so negativ wie das ihrer Politik, vor allem der Wirtschaftspolitik. Die Gesellschaft ist eines Wirtschaftsmodells überdrüssig, das immer populistischer, isolationistischer und willkürlicher geworden ist."

Wegen der anhaltend hohen Inflation verlor Cristina Kirchner auch in Gesellschaftsgruppen Stimmen, in denen sie traditionell Rückhalt genoss: der unteren Mittelklasse und der Armenschicht. Abgestraft wurde die Regierung wohl auch wegen der Korruptionsvorwürfe, denen sie ausgesetzt ist, der hohen Kriminalitätsrate und wegen des umstrittenen Versuchs einer Justizreform.

"Ein politischer Zyklus geht zu Ende. In der peronistischen Bewegung ist ein Kampf um die Führung und um die Nachfolge im Präsidentenamt entbrannt,"

interpretiert Politologe Novaro das Ergebnis der Vorwahl. Seit der Wahl Nestor Kirchners zum Präsidenten im Jahr 2003 hatte dessen politische Gruppierung, im Volksmund Kirchnerismus genannt, das mächtige Lager der Peronisten dominiert. Cristina Kirchner, seine Witwe, regiert Argentinien seit 2007 und kann bei der Präsidentschaftswahl 2015 nicht mehr wiedergewählt werden. Dass sich nach einem Jahrzehnt Kirchnerismus nun das Ende dieser Ära nähert, glaubt auch Meinungsforscher Sergio Berenstzein.

"In Argentinien beginnt eine Übergangszeit. Und die Politiker, die sich als neue Führungsfiguren abzeichnen, sind alle gemäßigt."

Als aufstrebender Stern am Polithimmel gilt derzeit der erst 41-jährige Sergio Massa, der sich bei der Vorwahl in der Provinz Buenos Aires gegen den Kandidaten des Kirchnerismus' durchsetzte. Massa, Peronist wie die Präsidentin, ist ihr ehemaliger Kabinettschef. Er hat ein Bündnis mit dem Namen "Front für Erneuerung" gegründet, dem auch andere Ex-Kirchneristen angehören. Politikforscher Novaro versucht, Massas Erfolg zu erklären.

"Er hat die Kriminalität, die viele beunruhigt, zum Wahlkampfthema gemacht. Dann holte er Ökonomen in sein Team, weil er weiß, dass die Wirtschaftspolitik zurzeit das zentrale Thema ist. Massa spricht sich auch gegen Korruption und für die Unabhängigkeit der Justiz aus. Was er genau will, weiß man noch nicht. Argumentativ ist sein Diskus dürftig. Aber anscheinend erwartet die Gesellschaft nicht viel mehr."

Sollte Sergio Massa bei der Parlamentswahl erneut gut abschneiden, wird er sich vermutlich als einer der Präsidentschaftskandidaten profilieren. Ein weiterer potenzieller Bewerber: Daniel Scioli, Gouverneur der Provinz Buenos Aires - auch er ein Peronist. Die nicht-peronistische Mitte-Rechts und Mitte-Links-Opposition wird nach Ansicht der Analysten Novaro und Berensztein 2015 weniger gute Chancen haben. Sergio Berensztein:

"Bisher ist die Überlegenheit der peronistischen Bewegung sehr groß. Die anderen politischen Kräfte, etwa die Sozialisten und die Mitte-Rechts-Partei PRO, scheinen noch nicht reif, um mit den Peronisten erfolgreich um das Präsidentenamt konkurrieren zu können. Im Gegensatz zu den anderen Parteien hat der Peronismus seine Machtbasis in ganz Argentinien."

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