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Entlang der Küste der iberischen Halbinsel bis nach Italien zieht sich die Ameisen-Kolonie.
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Es ist die Geschichte des mächtigsten Organismus der Welt: Winzige, eingewanderte Argentinische Ameisen haben entlang der europäischen Mittelmeerküste eine Kolonie von gigantischem Ausmaß geschaffen. Sie erstreckt sich über fast 6.000 Kilometer von Norditalien über Frankreich und Spanien bis nach Portugal. Milliarden von Arbeiterinnen bilden dort einen gigantischen Superorganismus. Sie kämpfen mit unglaublicher Aggressivität und sind bisher nicht aufzuhalten.
Wissenschaftler befürchten, dass die Argentinischen Ameise das Potenzial hat, ganze Ökosysteme zu verändern. Die Forscher versuchen daher, die Strategien der Einwanderer zu entschlüsseln. Sie wollen Abwehrmaßnahmen ergreifen, bevor die Invasion weiter nach Norden vordringt.
Massenhaft blinde Passagiere
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Auf Handelsschiffen kamen sie nach Europa.
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Im klimatisch milden Mittelmeerraum finden die Einwanderer einen idealen Lebensraum. Die Heimat dieser riesigen Ameisenkolonie liegt eigentlich in Argentinien. Anfang des letzten Jahrhunderts reisten viele der kleinen Insekten über den Atlantik, kaum zu entdecken als blinde Passagiere an Bord von Handelsschiffen. Sie versteckten sich zwischen den feuchten Blättern von Palmen oder den Kaffeesäcken, die zu Tausenden von Südamerika nach Europa transportiert wurden.
Auf Madeira bildeten sie die erste Großfamilie - Anfang des 20. Jahrhunderts. Dann landeten sie auf dem Festland an. Wo genau die Invasion begonnen hat, weiß heute niemand. Klar ist nur: Es war der Mensch, der den Tieren über die großen europäischen Häfen den Weg ins "Paradies" Mittelmeerraum öffnete.
Erfolgreiche Machtstrategien
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Die kleinen Argentinischen Ameisen greifen auch wesentlich größere Ameisen an.
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Obwohl sie gerade mal zwei Millimeter groß sind und damit wesentlich kleiner als die meisten einheimischen Ameisen, sind sie im Kampf überlegen. Sie sind allerdings nicht wegen ihrer Größe so gefährlich, sondern weil sie immer in Massen auftreten. Argentinische Ameisen überfallen alle Konkurrenten, die ihnen auf ihrem Weg begegnen. Ihre Staaten bestehen aus Millionen oder sogar Milliarden Einzeltieren. Haben sie sich an einem Ort einmal eingenistet, dann geht es für die heimischen Ameisenarten zu Ende. Denn Argentinische Ameisen überfallen regelmäßig die Nester anderer Arten.
Aggression und Kooperation
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In Europa sind mehrere Königinnen im Bau einer Kolonie Argentinischer Ameisen.
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Anders als einheimische Arten verfügen sie über gute Strategien, ihre Macht zu erweitern. In der Welt der Ameisen heißt das: Sie gründen neue Nester, erobern Futterquellen und verdrängen Konkurrenten. Ein wesentlicher Vorteil: Sie haben nicht nur eine einzige Königin, die über einen Staat herrscht. In den Nestern der Argentinischen Ameisen teilen sich mehrere Königinnen die Gänge: 15 bis 20 Stück. Und mehrere Königinnen bedeutet auch mehr Nachkommen. Das ist bei der Futtersuche und bei Kämpfen mit anderen Ameisenarten vorteilhaft. Stirbt eine Königin, ist bei einheimischen Ameisen auch der ganze Staat in Gefahr. Nicht so bei den Ameisen aus Südamerika.
Zweiter Vorteil: Argentinische Ameisen sind Allesfresser - sie vertilgen Pflanzen, Tiere und sogar Hausmüll. Das macht sie anpassungsfähig an ihre Umgebung.
Und noch der dritte, wesentliche Vorteil: Kooperation. Einheimische Ameisen derselben Art bekämpfen sich untereinander, wenn sie aus verschiedenen Nestern kommen. Die Argentinischen Ameisen dagegen kooperieren in Europa weit über die Grenzen des eigenen Nests hinaus. Diese Zusammenarbeit spart Energie. Und die ist wichtig im Kampf um die Macht in der Ameisenwelt.
Biologische Veränderung
Die ursprüngliche Verbreitung der Argentinischen Ameise war auf Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay beschränkt, inzwischen sind die weltweit auf dem Vormarsch. Interessanterweise verhalten sie sich in Südamerika ähnlich wie andere Ameisenarten: Sie haben Kolonien mit einer Königin, die Mitglieder einzelner Kolonien bekämpfen sich gegenseitig. Das extrem andere Verhalten der kleinen Insekten in anderen Gebieten der Welt liegt am sogenannten Gründereffekt. Nur sehr wenige Individuen wurden in andere Länder eingeschleppt und gründeten hier neue Kolonien. Die geringe genetische Vielfalt bewirkt, dass die Tiere alle miteinander verwandt sind und sich so über die Grenzen einzelner Kolonien hinweg an ihrer chemischen Duftsignatur erkennen.
Gegenmaßnahmen aus dem Labor
Wissenschaftlern aus München ist es gelungen, die Duftstoffe, mit denen die Ameisen kommunizieren, künstlich herzustellen. Damit können sie die Tiere in Laborversuchen in die falsche Richtung lenken. Ob das allerdings ein Mittel ist, die Ausbreitung in der Natur zu verhindern, ist zu bezweifeln. Eins hält die winzigen Einwanderer zur Zeit noch auf: das Klima. Minusgrade überstehen sie nicht.
Bislang haben weder die Natur noch der Mensch ein Mittel gegen die Invasion gefunden. Solange das so ist, bleibt die Superkolonie der Argentinischen Ameisen bildlich gesprochen das "größte Raubtier der Welt".
Autor: Stefan Geier (BR)
Dieser Text informiert über den Fernsehbeitrag vom 17.02.2013. Eventuelle spätere Veränderungen des Sachverhaltes sind nicht berücksichtigt.
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