Argentinien versus Hedgefonds: Neue Hoffnung im Schuldenstreit

New York (APA/dpa) - Seit Jahren liefert sich Argentinien mit Gläubigern einen erbitterten Rechtsstreit um die Rückzahlung alter Staatsschulden. Nun könnte sich eine Lösung abzeichnen - die neue Regierung strebt eine Einigung mit den Hedgefonds an. Ein Selbstläufer dürfte das jedoch nicht werden.

Den Rücken gekrümmt, gestützt von zwei Helfern - so verlässt der 85-jährige Thomas Griesa seinen Gerichtssaal. Während andere in diesem Alter den Lebensabend genießen, mutet sich der gebrechliche New Yorker Bezirksrichter einen vertrackten und erbittert geführten Rechtsstreit zwischen Argentinien und aggressiven Hedgefonds zu. Aber nun scheint ein Ende des seit Jahren andauernden Konflikts in Sicht - in Buenos Aires übernimmt eine neue Regierung, die einen Kompromiss finden will.

Die Hoffnungen liegen auf Argentiniens frisch gewähltem Präsidenten Mauricio Macri. Am 10. Dezember wird seine Regierung die Arbeit aufnehmen. Damit endet die Ära von Staatschefin Cristina Fernandez de Kirchner. Sie hatte im Clinch mit den vom US-Milliardär Paul Singer und seinem Hedgefonds NML Capital angeführten Investoren - die sie nur als „Aasgeier“ bezeichnet - dermaßen auf stur geschaltet, dass sie es im letzten Jahr sogar zu einer erneuten Zahlungsunfähigkeit ihres Landes kommen ließ.

Singer und Co weigern sich seit der Staatspleite Ende 2001, Umschuldungsangebote aus Buenos Aires anzunehmen. Sie klagen auf volle Rückzahlung ihrer Anleihen inklusive aufgelaufener Zinsen. Da die Wertpapiere einst unter US-Recht in New York ausgegeben wurden, um sie für internationale Anleger attraktiver zu machen, landete der Fall bei Richter Griesa. Der schlug sich auf die Seite der Kläger und urteilte, dass Argentinien die etwa 1,7 Mrd. Dollar (1,6 Mrd. Euro) bei den Hedgefonds bezahlen muss, bevor andere Schulden bedient werden.

Kirchners Regierung, die Singer vorwirft, die Anleihen zum Schleuderpreis aufgekauft zu haben, als die Rückzahlung bereits aussichtslos war, boykottiert das Urteil. Damit nimmt sie notgedrungen einen Zahlungsstopp gegenüber anderen Investoren hin. Anders als die Hedgefonds hatten 93 Prozent der Gläubiger ihre Anleihen nach der Staatspleite in neue Papiere umgetauscht, die aber weniger Rendite brachten, und so massive Abstriche gemacht. Sie wollten damit verhindern, ganz leer auszugehen - doch nun werden ihre Forderungen wegen des Richterspruchs nicht bedient.

Wie verfahren die Situation ist, zeigte sich am Dienstag in Griesas Gerichtssaal. Diesmal ging es darum, wie mit Sammelklagen von Trittbrettfahrern umgegangen werden soll, die von dem Urteil profitieren wollen, das die Hedgefonds erstritten haben. Anwälte haben zusätzliche Forderungen von gut 6 Mrd. Dollar zusammengetragen. Der Termin bringt aber keine Klarheit. Kein Wunder: Argentiniens Schuldenstreit ist mit all seinen Facetten inzwischen so schwer zu durchblicken, wie die Skyline von Manhattan an diesem diesigen Nachmittag beim Blick aus dem Gerichtssaal im 26. Stock.

Ergebnislos geht die Anhörung zu Ende. Griesa schließt mit den Worten: „Die Angelegenheit ist vertagt“. Es waren diesmal nur rund ein Dutzend Zuschauer gekommen. Ein Grund für das geringe Interesse: Es ist die letzte Verhandlung unter der Kirchner-Regierung. Ab jetzt könnte sich alles rasch ändern. Denn Macri will eine Lösung finden und zwar schnell. Die Zeit drängt: Argentinien, das bereits seit 2002 von den internationalen Finanzmärkten abgeschnitten ist, büßt durch die Blockadehaltung laufend weiter Vertrauen bei Anlegern ein.

Die Sturheit hat einen hohen Preis, den sich die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas eigentlich nicht leisten kann. Das Haushaltsdefizit steigt, die Inflation ist hoch und das Wachstum schwach. Um die Zinsen für neue Kredite zu senken und die Wirtschaft anschieben zu können, muss Macri den Marktzugang wiederherstellen. Das dürfte eine Beilegung des Schuldenstreits erfordern. Die ist jedoch kein Selbstläufer - das Parlament muss mitziehen und dessen Zustimmung ist ungewiss. In keiner der beiden Kongresskammern hat die neue Regierungskoalition eine Mehrheit.

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