Argentinien schafft Geheimdienste ab: Vorbild für den Westen?

Foto: Cristina Fernandez de Kirchner bei einer Rede vor der UN / Presidencia de la Nación Argentina / CC BY 2.0

Nach dem mysteriösen Tod des Chefermittlers des AMIA-Attentats plant die Regierungschefin Argentiniens eine umfassende Geheimdienstreform, die neben umfangreichen Beschränkungen auch konkrete Abschaffungsmaßnahmen enthält. Von den drei möglichen Varianten zum Ableben des per Kopfschuss getöteten Juristen – Selbstmord, erzwungener Selbstmord oder Mord – konnte bislang keine durch die Ermittlungsergebnisse erhärtet werden. Nach den zahlreichen Affären der westlichen Geheimdienste, sollte eine solche Räumungsaktion im “Staat im Staate” auch für den Westen ein Vorbild sein.

“Wegen der Ereignislage unterbrach auch Präsidentin Cristina Fernández Kirchner ihren Sommerurlaub und kündigte nun eine folgenschweres Gesetzesprojekt an. Als Reaktion auf die Verstrickung der Geheimdienstbehörde SI (Secretaría de Inteligencia) in die Ermittlungen zum Anschlag auf die jüdische Wohlfahrtsorganisation AMIA (Asociación Mutual Israelita Argentina), bei dem 1994 85 Menschen starben und Hunderte verletzt wurden, wird die Institution nun aufgelöst. Das Vorhaben soll im Eilverfahren bereits Anfang Februar verabschiedet und innerhalb von 90 Tagen umgesetzt werden, wie das Staatsoberhaupt vorgestern in einer einstündigen Fernsehansprache verkündete. An die Stelle der SI soll künftig eine AFI (Agencia Federal de Inteligencia) genannte Ersatzorganisation treten.

Mit der Reformierung der Geheimdienstarchitektur werden Aufgabengebiete, Arbeitsweise und Rechenschaftspflichten genauer definiert. Fernández erläuterte hierzu, dass sich der Tätigkeitsbereich künftig maßgeblich auf den Bereich schwerer internationaler Kriminalität wie Terrorismus, Drogenhandel und Wirtschaftskriminalität beschränken soll. Einzig bei komplexen Delikte wie Gegenspionage und schweren Attentaten gegen die öffentliche Ordnung müsse die AFI im Inland tätig werden. Kommunikation mit der Justiz soll zukünftig lediglich über die Führungsebene der Organisation laufen, informelle Kontakte sollten unterbunden werden.” berichtet Telepolis.

Anlass für das Reformpaket ist der mysteriöse Todesfall des Argentinischen Staatswanwalts Natalio Alberto Nisman. Er war mit der Aufklärung des Bombenanschlags auf das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires vor mehr als 20 Jahren betraut. Am 19. Januar sollte er dem Parlament seine angeblichen Beweise vorlegen, dass Staatspräsidentin Cristina Fernández an der Vertuschung des Falls beteiligt war. Bei dem Anschlag auf das AMIA-Gebäude am 18. Juli 1994 waren 85 Menschen getötet und 300 verletzt worden. Der Verdacht fiel damals auf fünf Iraner. Nisman zufolge soll Fernández die Weiterverfolgung des Falls in diese Richtung verhindert haben. Dass sich der Jurist ausgerechnet einen Tag vor seinem Auftritt im Parlament in seinem Apartment im Hauptstadtviertel Puerto Madero selbst in den Kopf geschossen haben soll, hat Verschwörungstheorien Vorschub geleistet und bei vielen Argentiniern ein Déjà-vu-Erlebnis ausgelöst. Den Argentiniern ist die Militärdiktatur von 1976 bis 1983 mit 30.000 Verschwundenen noch gut im Gedächtnis. Der mit den Zutaten eines Politthrillers versehene Tod des Staatsanwaltes hat bei ihnen ein Gefühl der eigenen Verletzbarkeit ausgelöst.

Auch wenn die Hintergründe der Argentinischen Staatspräsidentin zweifelhaft erscheinen, so könnte die Zurückgewinnung der Kontrolle über den Geheimdienstapparat auch ein Vorbild für die europäischen Staaten sein. Auch in den USA gibt es vereinzelt Stimmen aus dem Senat, dass dort eine Kontrolle über die CIA und NSA nicht mehr zu gewährleisten ist. Spätestens nachdem die US-Massenspionage im letzten Jahr bekannt wurde, kann man in der westlichen Geheimdienstmaschinerie von einem “Staat im Staate” reden.

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