Argentinien Künftiger Präsident will Lateinamerika umkrempeln

Die Geschehnisse in Venezuela stehen im Gegensatz zu Argentiniens Verpflichtung zur Demokratie: Mauricio Macri verkündete dies am vergangenen Montag, einen Tag nach seiner Wahl zum neuen Präsidenten Argentiniens. Und der Mitte-Rechts-Politiker ging noch weiter: Er drohte der sozialistischen Regierung von Präsident Nicolás Maduro mit Sanktionen des südamerikanischen Wirtschaftsblocks MERCOSUR:

"Wir werden versuchen, die Demokratie-Klausel des MERCOSUR auf Venezuela anzuwenden. Ich denke, das ist gerechtfertigt, angesichts der Verfolgung von Oppositionellen und der Angriffe auf die Meinungsfreiheit."

Mauricio Macri ist ein Politiker mit geringer außenpolitischer Erfahrung. In den vergangenen acht Jahren regierte er die Stadt Buenos Aires. Doch noch bevor er überhaupt das Präsidentenamt angetreten hat, bezieht er beim heiklen Thema Venezuela klar Position. Macri unterhält gute Beziehungen zur venezolanischen rechten Opposition. Als er am Sonntagabend in Buenos Aires seinen Wahlsieg feierte, war die Ehefrau des Politikers Leopoldo López dabei, der in Caracas im Gefängnis sitzt.

Lage in Venezuela spitzt sich zu

In den vergangenen Tagen spitzte sich die Situation in Venezuela weiter zu. Am Mittwoch wurde bei einer Wahlveranstaltung ein Oppositioneller erschossen. Aber wird Argentiniens künftiger Präsident den MERCOSUR wirklich dazu bringen können, die Demokratie-Klausel anzuwenden und Venezuelas Mitgliedschaft auszusetzen? Ausgeschlossen, glaubt Pedro Brieger, Experte für internationale Beziehungen:

"Die Demokratie-Klausel kommt zur Anwendung, wenn es in einem Mitgliedsland eine Unterbrechung der demokratischen Ordnung gegeben hat – was in Venezuela nicht der Fall ist. Es hat dort kein Putsch stattgefunden, wie etwa 2012 in Paraguay, als Präsident Fernando Lugo abgesetzt wurde. Damals setzte der MERCOSUR Paraguays Mitgliedschaft aus, und zwar durch Anwendung der Demokratie-Klausel."

Mauricio Macri tritt sein Amt am 10. Dezember an. Vier Tage vorher, am 6. Dezember, finden die venezolanischen Parlamentswahlen statt, bei denen die Opposition Umfragen zufolge Chancen auf einen Sieg hat. Vom Wahlverlauf, dem Ergebnis und der Reaktion der Regierung Maduro hängt ab, wie die MERCOSUR-Staaten reagieren werden bei ihrem Gipfeltreffen kurz vor Weihnachten. Rosendo Fraga, argentinischer Politologe:

"Es kommt darauf an, wie sich Venezuelas politische Krise nach der Parlamentswahl entwickelt. Ob Präsident Maduro einen möglichen Sieg der Opposition anerkennt oder nicht, ob er danach noch autoritärer regiert. Beim MERCOSUR-Gipfel wird Maduro Solidarität einfordern, während Macri auf Sanktionen bestehen wird. Boliviens linker Präsident Evo Morales wird sicher Maduro unterstützen. Die rechte Regierung Paraguays könnte sich dagegen der argentinischen Position anschließen."

Suspendierung Venezuelas unwahrscheinlich

Für eine Suspendierung Venezuelas vom MERCOSUR würde das allerdings nicht reichen. Dafür müssten alle Mitglieder zustimmen. Und das ist wenig wahrscheinlich. Außer Paraguay und demnächst Argentinien werden alle MERCOSUR-Staaten von linksgerichteten Regierungen geführt. Mit Argentiniens Schwenk nach Mitte-Rechts entsteht eine neue Situation in Südamerika, es könnte künftig mehr Dissonanzen geben. Dennoch: Macri will seinen ersten Besuch dem linksregierten Brasilien abstatten. Damit zeigt er, dass er, unabhängig von ideologischen Differenzen, auf gute Beziehungen zu den Nachbarn und Handelspartnern setzt. Politologe Rosendo Fraga:

"Vielleicht wird das politische Verhältnis Argentiniens zu Brasilien schwieriger. In der Frage des Umgangs mit Venezuela stimmen Macri und die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff nicht überein. Aber die Wirtschaftsbeziehungen zu Brasilien werden sich sicher verbessern, sie hatten unter Cristina Kirchner zuletzt sehr gelitten."

Pendel schlägt in Richtung Mitte-Rechts

In Lateinamerika, insbesondere in Südamerika, dominierten im vergangenen Jahrzehnt linke Regierungen populistischen oder sozialdemokratischen Zuschnitts. Etliche davon sind heute in der Krise, nicht nur Venezuelas Präsident Maduro, auch die Präsidentinnen Brasiliens und Chiles, Dilma Rousseff und Michelle Bachelet, und ihr peruanischer Kollege Ollanta Humala. Vor allem Korruptionsskandale und die schwächelnde Konjunktur haben ihre Popularität in den Keller sinken lassen.

Linke wie auch rechte lateinamerikanische Präsidenten hatten jahrelang vom Rohstoffboom profitiert, aber nun sinken die Weltmarktpreise für Erdöl, Edelmetalle und Agrarprodukte. In Argentinien gewann Mauricio Macri auch deshalb die Wahl, weil die Wirtschaft seit Jahren nicht wächst und die ökonomischen Daten schon lange nicht mehr stimmen. Das politische Pendel in der Region könnte nun allmählich nach rechts schwingen, glaubt nicht nur der Politologe Rosendo Fraga:

"Unter den derzeitigen Umständen könnte der Triumph Macris in Argentinien vielleicht eine ähnliche Bedeutung haben wie der Wahlsieg von Hugo Chavez 1998 in Venezuela. Damals begann das politische Pendel in Lateinamerika nach links zu schwingen – vielleicht beginnt nun eine Gegenbewegung."

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