Abtreibungs-Wirrwarr in Argentinien

Im März hatte der oberste Gerichtshof Argentiniens Schwangerschaftsabbrüche nach Vergewaltigungen erlaubt. In solchen Fällen bräuchten Ärzte keine gerichtliche Erlaubnis einzuholen, befanden die obersten Richter. Es reiche eine Erklärung des Opfers oder seines Anwalts aus, wonach die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung sei.



Im September meldete sich eine 32-jährige Frau für einen solchen Schwangerschaftsabbruch an. Es sollte die erste legale Abtreibung werden, seit das neue Gesetz in Kraft getreten war. Die Antragstellerin hatte in einem Brief an das zuständige Gericht geschrieben: «Ich bin ein Opfer des Frauenhandels. Als Folge von kontinuierlichen sexuellen Misshandlungen bin ich in der neunten Woche schwanger. Die Fortsetzung dieser Schwangerschaft wird mich aber noch mehr in eine unmenschliche und erniedrigende Lage bringen. Meine psychische und körperliche Integrität ist in Gefahr. Die Schwangerschaft ist eine Folge von wiederholten Vergewaltigungen über einen längeren Zeitraum».

Bürgermeister kennt keinen Datenschutz

Die Abtreibung wurde vom Gericht bewilligt und auf den 9. Oktober in einem Spital von Buenos Aires angesetzt. Doch es kam nicht dazu: In letzter Minute verhinderte eine Richterin den Eingriff. Man dürfe nicht «ein Unrecht wieder gutmachen, indem man ein noch schwereres und nicht umkehrbares Unrecht begeht», befand Myriam Rustán de Estrada in ihrer Begründung. Sie handelte aufgrund einer Anzeige von Abtreibungsgegnern der Nichtregierungsorganisation «Pro Vida».

Der Fall wurde sofort zum Politikum. Die Abgeordneten der regierenden Partei «Frente para la Victoria» - und Befürworter des Abtreibungsgesetzes – erstatteten Anzeige gegen den Bürgermeister der Stadt Buenos Aires, den konservativen Mauricio Macri. Denn nur dank seiner Indiskretion war es der Richterin möglich gewesen, die Abtreibung zu stoppen. Macri hatte den Abtreibungsgegnern die Identität des Vergewaltigungsopfers, die bisher streng geheim gehalten worden war, verraten.

Oberstes Gericht sagt ja

Mehrere feministische Organisationen haben am Mittwoch vor dem Obersten Gericht protestiert. «Macri, unsere Gebärmütter gehören uns», hatten sie auf ihre Plakate geschrieben. Einen Tag später wurde der Richterspruch von Rustán de Estrada aufgehoben. Die Abtreibung an der 32-Jährigen solle «so rasch wie möglich ausgeführt werden», befand nun der Oberste Gerichtshof. Bürgermeister Macri könnten im Fall einer Verurteilung wegen Nichtrespektierens des Datenschutzes des Opfers bis zu drei Jahre Haft blühen.

In Argentinien gibt es nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen pro Jahr 700 000 illegale Abtreibungen. Alljährlich sterben dabei rund hundert Frauen.

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