Associated Press
Argentinische Börse in Buenos Aires: Das Land soll Hedgefonds Milliarden zurückzahlen und weigert sich. Damit aber drohen sämtliche Gläubiger leer auszugehen.
BUENOS AIRES—Wegen des drohenden Zahlungsausfalls Argentiniens suchen Anleihegläubiger des Landes immer kreativer nach Auswegen. Der neueste Krisenvorschlag: Anleger sollten selbst das nötige Geld zur Abfindung von Hedgefonds zusammenkratzen, die Argentinien per Gerichtsurteil zu einer Milliardenzahlung zwingen wollen.
Hintergrund ist eine Klage der Hedgefonds in den USA. Die Profi-Investoren hatten einst argentinische Anleihen zu einem günstigen Kurs gekauft und wollen nun den vollen Nominalwert ausbezahlt bekommen. Das aber läuft einem Schuldenschnitt zuwider, den das Land mit anderen Investoren vereinbart hatte.
Laut Gericht muss Argentinien ihnen mehr als 1,33 Milliarden US-Dollar zahlen – oder sich zahlungsunfähig erklären. Damit würden sämtliche Anleihegläubiger leer ausgehen. Der Oberste US-Gerichtshof hatte einen Berufungsantrag Argentiniens jüngst abgeschmettert. Das Land steckt deshalb in der Klemme.
Für Präsidentin Cristina Kirchner, die bereits geschworen hat, sie werde die Milliarden nicht zahlen, könnte die neueste Investorenidee nun die rettende Lösung liefern. Sollte der Plan des führenden Anleihegläubigers Gramercy Funds Management aufgehen, würden die Hedgefonds ihr gefordertes Geld bekommen.
Nach Angaben einer gut unterrichteten Person wäre es für die übrigen Investoren sogar von Vorteil, die Rechnung der Hedgefonds zu begleichen, weil dann der im Raum stehende Zahlungsausfall Argentiniens nicht stattfinden würde und die Anleihekurse deutlich zulegen würden. Ein Sprecher von Gramercy wollte dazu keine Stellung nehmen.
Die Anleihekurse könnten um 24 Prozent steigen
Gramercy hält Anleihen, die gemäß dem vereinbarten Schuldenschnitt zu einem Kurs von 33 Cent je Dollar zurückgezahlt werden sollen. Argentinien hat inzwischen ein Gesetz erlassen, das nochmals eine Restrukturierung bestimmter Anleihen vorsieht.
Wie die gut informierte Person berichtet, sollen die Anleihegläubiger nach dem Plan von Gramercy freiwillig einen Teil der ihnen zustehenden Zinsen zur Auszahlung der Milliardensumme an die Hedgefonds verwenden. Wenn das klappen sollte, rechnet Barclays-Ökonom Sebastian Vargas vor, könnte Argentiniens Zahlungsausfall vermieden werden und die Anleihekurse könnten um bis zu 24 Prozent steigen.
Allerdings müssten 85 Prozent der betroffenen Gläubiger dem Vorschlag zustimmen. Nur dann würde er für alle anderen Anleihebesitzer verbindlich werden.
Das sind die Schuldenkönige der Welt:
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Während der schweren Wirtschaftskrise im Jahr 2001 konnte Argentinien Schulden in Höhe von rund 100 Milliarden Dollar nicht mehr zurückzahlen. Damals tauschten Gläubiger etwa 93 Prozent der ausstehenden Anleihen in neue Bonds. Verschiedene Hedgefonds, etwa Aurelius Capital und NML, zogen jedoch vor Gericht und klagten auf eine vollständige Rückzahlung ihres geliehnen Geldes.
Weltweit waren die Hedgefonds im Einsatz, um argentinisches Staatsvermögen in ihre Hände zu bekommen. Im vergangenen Jahr etwa sorgten sie dafür, dass ein argentinisches Kriegsschiff monatelang in Ghana festsaß. Erst nachdem sich ein Gerichtshof der Vereinten Nationen einschaltete, kam das Schiff frei.
Die Rettung klingt zu schön, um wahr zu sein
Einige Anleihebesitzer und Hedge-Fonds sehen den neuen Plan bereits skeptisch. „Das Angebot von Gramercy erscheint zu schön, um wahr zu sein", sagt etwa Ezequiel Bidau, Geschäftsführer beim Investmentfond ACP Securities, der insgesamt ein Volumen von 500 Millionen Dollar verwaltet und dieses auch in argentinische Aktien und Anleihen investiert hat. Restrukturierte argentinische Anleihen hält der Fond nicht.
Auch Eugenio Bruno, ein Anwalt in der argentinischen Kanzlei Estudio Garrido, die mehrere Gläubiger vertritt, die den Schuldenschnitt akzeptiert haben, sagt: „Der Gramercy-Vorschlag ist unmöglich." Bruno glaubt nicht, dass sich die Gläubiger auf das Ansinnen einlassen werden.
Ein Sprecher des Hedgefonds NML mauert ebenfalls: „Wir sind unzählige Male auf Argentinien zugegangen, um eine Einigung zu erzielen. Für Argentinien ist es absolut möglich, das Problem eigenständig zu lösen. Es ist vollkommen unverständlich, warum Argentiniens Schuldenproblematik ohne die Beteiligung des Landes gelöst werden sollte." Der Sprecher fügt hinzu, dass der Hedgefonds die Verhandlungen mit Argentinien begrüße. „Aber wir sehen keinen Sinn darin, mit anderen Anleihebesitzern zu verhandeln", sagt er.
Ein Sprecher von Aurelius wollte die Vorgänge nicht kommentieren. Ein Dutzend anderer Gläubiger wollte die Vorgänge ebenfalls nicht kommentieren oder hat sich auf Anfragen nicht zurückgemeldet. Eine Sprecherin des argentinischen Wirtschaftsministeriums wollte sich ebenfalls nicht äußern.
Auf dem Weg durch die Instanzen der amerikanischen Justiz hat Argentinien seine Berufungsmöglichkeiten inzwischen weitgehend erschöpft. Sollte der Supreme Court in den USA nicht doch noch ein Berufungsverfahren zulassen, würde sich die letzte Hoffnung der argentinischen Regierung zerschlagen.
Untergeordnete Instanzen hatten geurteilt, dass Argentinien aktuellen Anleihegläubigern nur dann die per Schuldenschnitt vereinbarte Minimalsumme zahlen darf, wenn es auch die übrigen Anleihehalter auszahle. Es gilt also: Entweder bekommen alle Geld oder keiner.
—Mitarbeit: Prabha Natarajan
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