Wenn die Geier über Pleitestaaten kreisen – saarbruecker


Buenos Aires. Im Streit mit zahlungsunwilligen Regierungen greifen Investoren auch zu krassen Methoden. So haben Gläubiger kürzlich ein argentinisches Marineschiff im westafrikanischen Ghana festsetzen lassen. Der New Yorker Hedgefonds Elliott Associates verfolgt Vermögenswerte in argentinischem Staatsbesitz rund um den Globus. Vom Stand auf der Frankfurter Buchmesse bis zur Präsidentenmaschine scheint nichts vor dem sogenannten Geier-Fonds sicher.

Als die argentinische Fregatte "Libertad" mit ihrer 326 Mann starken Besatzung Anfang Oktober die Hafenstadt Tema in Ghana ansteuert, wartet eine böse Überraschung. Der über 100 Meter lange und vor allem zu Ausbildungszwecken genutzte Dreimaster wird von den örtlichen Behörden festgesetzt. Grund für die Aktion ist eine einstweilige Verfügung, die die Elliott-Tochter NML Capital vor ghanaischen Gerichten erwirkt hat. Die Angelegenheit spitzt sich weiter zu. Nachdem die Richter einen Einspruch abgewiesen hatten, reichte der Chef der argentinischen Marine, Admiral Carlos Alberto Paz, seinen Rücktritt ein. Schließlich ordnete die Regierung die Evakuierung des Schiffes an. An Bord gebe es keinen Strom mehr, die Richter in Ghana ließen keinen Treibstoff zuliefern. Der Vorfall landet auf Antrag Argentiniens sogar vor den Vereinten Nationen.

Hinter der Auseinandersetzung verbirgt sich ein jahrelanger Streit um die Rückzahlung von argentinischen Anleiheschulden aus dem Jahr 2001. Der vom US-Millionär Paul Singer betriebene Hedgefonds hat ein Geschäftsmodell daraus entwickelt, Pleitestaaten in die Mangel zu nehmen. Peru, der Kongo und Griechenland können ebenfalls ein Lied davon singen. Die Strategie ist so einfach wie umstritten: Bahnt sich ein Bankrott an, kauft der Investor Staatsanleihen zum Schnäppchenpreis. Erklären sich Regierungen für zahlungsunfähig, klagt er auf volle Rückzahlung. Die Methode ist riskant, doch häufig profitabel. Das Erfolgsgeheimnis liegt in der Hartnäckigkeit: Beim Schuldeneintreiben setzt Elliott auf jahrelange juristische Scharmützel und scheut vor keinem Trick zurück, wie das Beispiel der "Libertad" zeigt.

Argentinien beklagt das rabiate Vorgehen des Fonds als "hinterlistigen Angriff", der die Wiener Konvention über diplomatische Immunität verletze. Doch letztlich kämpft das Land mit Geistern, die es selbst gerufen hat: Die Regierung hatte sich vor zwölf Jahren für bankrott erklärt und den Zahlungsdienst eingestellt. Es geht um einen Gesamtbetrag von etwa hundert Milliarden US-Dollar. Davon sind 2005 und 2010 ungefähr 93 Prozent umgeschuldet worden. Die meisten Investoren kamen entgegen und willigten ein, sich mit 30 Prozent ihrer ursprünglichen Forderungen zu begnügen. Elliott zählt jedoch zu einer Reihe von Gläubigern, die sich am Forderungsverzicht nicht beteiligt haben. Er versucht, auf dem Rechtsweg die volle Rückzahlung durchzusetzen.

Um ausstehende 1,6 Milliarden Dollar (1,2 Milliarden Euro) einzutreiben, streitet der Hedgefonds vor Gerichten in den USA und Großbritannien. Die rechtlichen Details sind jedoch so kompliziert, dass selbst Fachleute den Überblick verlieren. "Wenn man alle Faktoren abwägt, scheint es, als könnte Argentinien am Ende die Oberhand gewinnen", meint Analyst Vladimir Werning von der Großbank JPMorgan. Ein Urteil zugunsten der Gläubiger würde tief in die Grundrechte des staatlichen Schuldenmanagements eingreifen. Wegen der Konsequenzen, die eine solche Entscheidung weltweit haben dürfte, könnten die Richter davor zurückschrecken.

Während der Rechtsstreit sich durch die Instanzen zieht, macht Elliott seinem Gegner das Leben schwer - und das schon seit Jahren. Dem US-Magazin "Forbes" zufolge scheiterte ein Plan, die argentinische Präsidentenmaschine festzusetzen, 2007 nur knapp. Zwei Jahre später soll Argentinien seinen Stand auf der Frankfurter Buchmesse aus Angst, Gläubiger könnten ausgestellte Kunstgegenstände beschlagnahmen, auf eine Privatperson angemeldet haben. Auch Griechenland zittert vor der Macht des Fonds: Anders als Argentinien zahlt der hartnäckigste Euro-Krisenfall bislang brav seine Zinsen an widerspenstige Investoren, die sich der Zwangsumschuldung für private Gläubiger im Frühjahr verweigerten.

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