Schuldenstreit bizarr: Um Geld einzutreiben, lassen Gläubiger ein argentinisches Marineschiff im westafrikanischen Ghana festsetzen. Im Konflikt mit zahlungsunwilligen Regierungen greifen aggressive Investoren zu immer krasseren Methoden. Der berüchtigte New Yorker Hedgefonds Elliott Associates verfolgt Vermögenswerte in argentinischem Staatsbesitz rund um den Globus. Als die argentinische Fregatte „Libertad“ Anfang Oktober die Hafenstadt Tema in Ghana ansteuert, wartet eine Überraschung.
Anders als bei den vorherigen Stationen gibt es keinen freundlichen Empfang. Stattdessen wird der über 100 Meter lange Dreimaster von den örtlichen Behörden in Arrest genommen. Grund für die Aktion ist eine einstweilige Verfügung, die die Elliott-Tochter NML Capital vor ghanaischen Gerichten erwirkt hat. Nachdem die Richter einen Einspruch abgewiesen hatten, reichte der Chef der argentinischen Marine, Admiral Carlos Alberto Paz, in der vergangenen Woche seinen Rücktritt ein. Am Wochenende ordnete die Regierung die Evakuierung an. An Bord des Schiffes gebe es keinen Strom mehr, die Richter in Ghana hatten keinen Treibstoff liefern lassen. Als nächstes will Außenminister Héctor Timerman den Vorfall bei den Vereinten Nationen vortragen.
Hinter der kuriosen Auseinandersetzung verbirgt sich ein Streit um die Rückzahlung von argentinischen Anleiheschulden aus dem Jahr 2001. Der vom US-Millionär Paul Singer betriebene Hedgefonds hat ein Geschäftsmodell daraus entwickelt, Pleitestaaten in die Mangel zu nehmen. Die Strategie: Bahnt sich ein Bankrott an, kauft der Investor Staatsanleihen zum Schnäppchenkurs. Erklären sich Regierungen für zahlungsunfähig, klagt er auf Rückzahlung. Die Methode ist riskant, doch häufig profitabel. Das Erfolgsgeheimnis liegt in der Hartnäckigkeit: Beim Schuldeneintreiben setzt Elliott auf jahrelange juristische Scharmützel und scheut vor keinem Trick zurück. Argentinien beklagt das Vorgehen des Fonds als „hinterlistigen Angriff“.
Letztlich kämpft das Land mit Geistern, die es selbst gerufen hat: Die Regierung hatte sich vor zwölf Jahren für bankrott erklärt und den Zahlungsdienst eingestellt. Es geht um etwa hundert Milliarden US-Dollar. Davon sind 2005 und 2010 ungefähr 93 Prozent umgeschuldet worden. Die meisten Investoren kamen entgegen und willigten ein, sich mit 30 Prozent ihrer ursprünglichen Forderungen zu begnügen.
Elliott beteiligte sich nicht am Forderungsverzicht und versucht, auf dem Rechtsweg die Rückzahlung durchzusetzen. Um ausstehende 1,6 Milliarden Dollar (1,2 Milliarden Euro) einzutreiben, streitet der Fonds vor Gerichten in den USA und Großbritannien. Die rechtlichen Details sind kompliziert. Ob es gelingt, die Forderungen wieder hereinzuholen, ist unsicher. Ein Urteil zugunsten der Gläubiger würde tief in die Grundrechte des staatlichen Schuldenmanagements eingreifen.
Während der Rechtsstreit sich durch die Instanzen zieht, macht Elliott seinem Gegner das Leben schwer. Dem US-Magazin „Forbes“ zufolge scheiterte ein Plan, die argentinische Präsidentenmaschine festzusetzen, 2007 nur knapp.
Zwei Jahre später soll Argentinien seinen Stand auf der Frankfurter Buchmesse aus Angst, Gläubiger könnten ausgestellte Kunstgegenstände beschlagnahmen, auf eine Privatperson angemeldet haben. Auch das von der Pleite bedrohte Griechenland zittert vor der Macht des Fonds: Anders als Argentinien zahlt der hartnäckigste Euro-Krisenfall bislang brav seine Zinsen an widerspenstige Investoren, die sich der Zwangsumschuldung für private Gläubiger im Frühjahr verweigerten.