23.01.13, 02:55
Weltkrisen und Hintergründe - Die Falkland Inseln
Das Abendblatt erklärt in einer Serie die gefährlichsten Konfliktherde der Welt. Heute: Der neu entfachte Streit um die Falkland-Inseln
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Hamburg. "Hände weg!", keifte das britische Massenblatt "The Sun" in einem ganzseitigen offenen Brief die argentinische Präsidentin Cristina Kirchner an. Die hatte zuvor in einem von Londoner Zeitungen veröffentlichten Schreiben Großbritannien angeklagt, die Falklandinseln Argentinien "gewaltsam entrissen" zu haben.
Kirchner erinnerte den britischen Premierminister David Cameron an die betreffende Uno-Resolution von 1965, die London und Buenos Aires zu Verhandlungen über die umstrittene Inselgruppe auffordert. Dazu sieht Cameron aber gar keinen Anlass; Kirchner solle lieber ihrerseits das Ergebnis des Referendums abwarten, das unter den rund 3000 Einwohnern der Falklandinseln bezüglich ihrer politischen Zugehörigkeit am 10. und 11. März abgehalten werden soll. Es bestehen kaum Zweifel daran, dass sich die Falkländer mit überwältigender Mehrheit für einen Verbleib bei Großbritannien aussprechen werden. Sie stammen schließlich von nordenglischen und schottischen Einwanderern ab, die in den 1830er-Jahren nach Falkland kamen. Entsprechend ablehnend steht Argentinien diesem Referendum gegenüber.
In London wird befürchtet, dass ein jubelndes Bekenntnis der Falkländer zu Großbritannien eine trotzige Gegenreaktion der Argentinier provozieren könnte. Mehr als 30 Jahre nach dem Krieg zwischen beiden Nationen um die rund 200 einsamen Inseln im sturmumtosten Südatlantik, knapp 400 Kilometer vor der argentinischen Küste, hat sich die Situation wieder zugespitzt. Wegen der starken Spannungen hat die britische Reederei PO beschlossen, ihre Kreuzfahrtschiffe "Arcadia" und "Adonia" nicht wie geplant in argentinischen Häfen anlegen zu lassen.
Wie der Londoner "Daily Telegraph" berichtete, liegen im britischen Verteidigungsministerium bereits Pläne für einen möglichen zweiten Waffengang bereit. Im Vorfeld des Referendums könnten zusätzliche Truppen, mindestens ein Kriegsschiff und "Typhoon"-Jagdbomber Richtung Falklandinseln in Marsch gesetzt werden. Vorgesehen ist auch die Entsendung der "Response Task Force Group", eines Eingreifverbandes der Royal Navy, zu dem Zerstörer, eine Fregatte, ein U-Boot und Kommando-Einheiten gehören, sowie der 16. Luftlandebrigade der britischen Armee mit mehr als 8000 Elitesoldaten. Diese Einheit hatte auch im Falklandkrieg 1982 gekämpft. "Kommandeure sind lieber zwei Schritte voraus als zwei zurück", sagte ein hoher Beamter des Verteidigungsministeriums dem "Telegraph". Rund 1500 britische Soldaten sind permanent auf den Inseln stationiert, ausgerüstet mit Kampfjets, Luftabwehr und Artilleriebatterien. Mehrere Kriegsschiffe sind im wechselnden Einsatz in diesem Seegebiet, unter ihnen der 8000 Tonnen verdrängende Super-Zerstörer "HMS Dauntless", das wohl modernste Schiff seiner Art auf der Welt. Brigadegeneral Bill Aldridge, Kommandeur der britischen Truppen auf den Falklands, sagte: "Eine Aggression abzuschrecken ist meine oberste Priorität." Zwar glaubt die britische Regierung nicht daran, dass Argentinien überfallartig angreifen wird - aber darin hat sie sich schon einmal geirrt.
Aus kürzlich freigegebenen Unterlagen geht hervor, dass die damalige britische Premierministerin Margret Thatcher fest davon überzeugt war, die Argentinier würden niemals angreifen.
Doch das taten sie am 2. April 1982 - in der Annahme, die Briten würden nicht um die fernen Eilande kämpfen. Thatcher entsandte starke Kampfverbände, und am 14. Juni 1982 kapitulierten die argentinischen Truppen. 900 Soldaten, darunter 649 Argentinier, waren gefallen. Das brutale Militärregime des argentinischen Generals Leopoldo Galtieri, der mit einem strahlenden Sieg den Machtverfall seiner Regierung aufhalten wollte, zerbrach.
Seitdem rund 60 Milliarden Barrel Erdöl in den Gewässern um die Inseln vermutet werden, ist es mit der Ruhe vorbei. Cristina Kirchner erklärte, man könne doch "keine Inselgruppe zum britischen Territorium erklären, die 14.000 Meilen von Großbritannien entfernt" liege. Auch die Regierung Kirchner ist in Schwierigkeiten und könnte einen außenpolitischen Erfolg gut gebrauchen. Wirtschaftlich ist Argentinien nicht eben auf Erfolgskurs.
Zuerst gesichtet wurden die umstrittenen Inseln 1592 vom englischen Seefahrer John Davis. Erst fast 100 Jahre später betrat ein weiterer Engländer, John Strong, die Eilande und gab der Meerenge den Namen des damaligen Schatzmeisters der Marine - des Viscount of Falkland -, der später auf die Inseln übertragen wurde. 1764 errichteten die Franzosen unter Louis Antoine de Bougainville dort eine Siedlung. An den Namen dieses Offiziers und Abenteurers erinnern noch heute ein Seegebiet, eine Blumengattung und ein Tiefseegraben. Der argentinische Name der Inselgruppe "Las Malvinas" geht übrigens auf bretonische Seeleute aus St. Malo zurück, nach denen die Franzosen die Inseln "Iles Malouines" nannten.
1766 gingen die Inseln an Spanien. 1820 nahmen dann die Argentinier, die einen erfolgreichen Befreiungskrieg gegen die spanischen Kolonialherren führten, die "Malvinen" in Besitz, doch errichteten die militärisch weit überlegenen Briten 1833 einen Flottenstützpunkt dort und vier Jahre später gleich eine Kolonialverwaltung. Seit 1833 erhebt Argentinien offiziell Anspruch auf die Inselgruppe vor seiner Haustür.
In Großbritannien wird derzeit eine lebhafte Debatte darüber geführt, ob man die Inseln in einem Krieg halten beziehungsweise zurückerobern könnte. Die Royal Navy verfügt nach den einschneidenden Sparmaßnahmen der vergangenen Jahre heute nur noch über einen Bruchteil ihrer numerischen Stärke von 1982; so hat sie derzeit keinen einzigen Flugzeugträger und auch keine amphibischen Angriffsschiffe mehr, nur noch sieben Zerstörer statt 15, 13 Fregatten statt 46 und neun U-Boote statt 32.