Im Juli 1994 explodierte vor dem Gebäude der jüdischen Organisation AMIA in Buenos Aires eine Bombe. 85 Menschen wurden getötet, 300 verletzt. Die Hintergründe des Anschlags sind bis heute unklar. Nun steht der ehemalige argentinische Präsident Menem vor Gericht.
Von Julio Segador, ARD-Hörfunkstudio Buenos Aires
Es war das schlimmste Attentat in der Geschichte Argentiniens. Am 18. Juli 1994 - vor 21 Jahren - detonierte eine Autobombe vor dem jüdischen Zentrum in Buenos Aires. Die Bombe löschte die AMIA aus. Die Bilanz des Attentats: 85 Tote, mehr als 300 Verletzte, über 100 zerstörte Gebäude.
Bis heute wurde kein Täter verurteilt, was Opfer-Angehörige wie Diana Malamud, die ihren Mann bei dem Anschlag verlor, empört: "In unserem Land ist die Straflosigkeit weit verbreitet. Das führt dazu, dass begangene Verbrechen nicht geahndet werden. Sie haben keinerlei Folgen. Das ist schrecklich."
Angeklagte sollen Aufklärung verhindert haben
Das könnte sich vielleicht ändern. In Buenos Aires stehen seit gestern 13 Angeklagte vor Gericht. Sie stehen zwar nicht im Verdacht, die Täter zu sein, sie sollen vielmehr verhindert haben, die möglicherweise wahren Täter zu ermitteln. Das sieht zumindest Staatsanwältin Sabrina Namer so: "Man kann beobachten, dass über etwa fünf Jahre die syrische Spur nicht verfolgt wurde. Das führte dazu, dass wichtige Beweismittel, die man sofort hätte sichern müssen, unwiederbringlich verloren gingen. Dies erschwerte es, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen. "
Der ehemalige argentinische Präsident Carlos Menem mit seiner Tochter Zulema vor Gericht (Archivbild 2013)
Diese syrische Spur führt direkt zu dem prominentesten Angeklagten. Zu Carlos Menem, der zwischen 1989 und 1999 – also zum Zeitpunkt des Anschlags - argentinischer Staatspräsident war. Menems Eltern waren aus Syrien nach Argentinien ausgewandert, ebenso wie die von Alberto Kanoore Edul. Die Eltern beider hatten sogar in Syrien im selben Dorf gelebt. Menem kannte also Edul, der schon bald als einer der Hauptverdächtigen ins Visier der Fahnder geriet. Er hatte Kontakt zu dem Besitzer des Lastwagens, auf dem der Sprengstoff transportiert worden war.
Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft soll Menem den zuständigen Richter angewiesen haben, die Ermittlungen gegen Edul einzustellen. Für Diana Malamud ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Auch der Richter – Juan José Galeano – der angeblich von Menem die Anweisung erhielt, steht in Buenos Aires vor Gericht. Er bestreitet die Vorwürfe. "Ich werde mich verteidigen und dabei beweisen, dass dieser Prozess die eigentliche Verschleierung ist. Ich soll – so heißt es – wichtigen Spuren nicht nachgegangen sein. Dabei habe ich mich fast zu Tode gearbeitet um den Argentiniern die Wahrheit zu präsentieren, die wir alle verdienen."
Ex-Präsident Menem genießt Immunität
Ein Jahr könnte der Prozess dauern. Sollte Ex-Präsident Menem wegen Strafvereitelung wirklich verurteilt werden, muss er aber nicht ins Gefängnis. Als gewählter Senator genießt der inzwischen 85-Jährige Immunität.
Diana Malamud - die als Klägerin auftritt - glaubt nicht, dass der Prozess wirklich zu greifbaren Ergebnissen führen wird. Zu viel wertvolle Zeit sei verstrichen: "Wahr ist, dass ich nur wenig Hoffnung habe, dass hier Licht ins Dunkel kommt. Ich glaube nicht an Wunder, denn ein Wunder wäre nötig, dass der Fall aufgeklärt wird."
Argentiniens Ex-Präsident Menem wegen AMIA-Attentat vor Gericht
J. Segador, ARD Buenos Aires
07.08.2015 08:53 Uhr