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Nicht zum Hinsehen: Der deutsche Nationalspieler Mats Grambusch nach der Niederlage gegen die Niederlande
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Nicht zum Hinsehen: Der deutsche Nationalspieler Mats Grambusch nach der Niederlage gegen die Niederlande
Die letzte Szene des Spiels war symptomatisch für die gesamte Partie. Die Spielzeit war zwar schon abgelaufen, aber die deutschen Hockeyherren hatten noch eine Strafecke zugesprochen bekommen – die ultimativ letzte Chance, diesen Abend zumindest im Ergebnis noch freundlich zu gestalten. Aber auch diese Möglichkeit zerrann in den eigenen Händen, der Ball wurde verstoppt, und die 0:1-Niederlage gegen die Niederlande war perfekt. Selbst ein Remis hätte die Situation für die deutsche Mannschaft allerdings nicht wesentlich verändert.
Autor: Peter Penders, Jahrgang 1959, Sportredakteur.
Um nach der vorangegangenen 0:1-Niederlage gegen Argentinien zuvor aus eigener Kraft noch das Halbfinale bei der Weltmeisterschaft in Den Haag erreichen zu können, wäre ein Sieg gegen die von 15.000 Zuschauern frenetisch angefeuerte Mannschaft des Gastgebers nötig gewesen. Der wäre nach einer starken zweiten Halbzeit auch möglich gewesen, aber irgendetwas lief bei der Auswahl des Deutschen Hockey-Bundes im letzten Moment stets schief. „Ein paar Prozent haben immer gefehlt“, sagte Markus Weise, „es war immer etwas zu wenig, und um dann doch weiterzukommen, brauchst du halt Glück. Aber das ist eine schlechte Basis für Erfolg“, sagte der Bundestrainer.
Vorbereitung so kurz wie nie
Wo die paar Prozent liegengeblieben sind, die nun fehlen, liegt auf der Hand. Die WM-Vorbereitung der deutschen Mannschaft war so kurz wie nie, da der internationale und nationale Spielplan die Terminfenster der Nationalmannschaft stark eingeschränkt hatte. Und weil Deutschland im Vergleich zu den anderen Nationen recht ausgiebig dem Hallenhockey frönt, fehlt Weise und Jamilon Mülders, seinem Kollegen bei den Damen, vor allem eins: Zeit. Erst Anfang Mai wurden die deutschen Meister ausgespielt – in den Niederlanden und auch bei allen anderen Konkurrenten war da die Vorbereitung auf diese Weltmeisterschaft schon voll im Gange. „Wir werden etwas ändern müssen, denn so hangeln wir uns mit unserem Terminplan nur von Kompromiss zu Kompromiss“, fordert Mülders und hofft auf Einsicht bei den Vereinen.
Damen haben es noch in der eigenen Hand
Seine Damen haben an diesem Sonntag immerhin noch die Chance, sich mit einem Sieg über die Vereinigten Staaten (14.30 Uhr) die Möglichkeit auf das Erreichen des Halbfinales zu bewahren. Viel düsterer sieht es bei den erfolgsverwöhnten Männern aus, die selbst bei zwei Siegen gegen Neuseeland an diesem Sonntag (10.30 Uhr auf Sport1) und dann am Dienstag gegen Südkorea auf einen Ausrutscher Argentiniens gegen Südafrika oder Südkorea, den beiden vermeintlich schlechtesten Teams der Gruppe, hoffen müssen.
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Sollte es damit nicht klappen, wäre dies nach Jahren im Erfolgsrausch eine gewaltige Delle. Die Herrenauswahl gewann sowohl bei den Olympischen Spielen 2008 als auch 2012 Gold, wurde 2011 und 2013 Europameister und 2010 WM-Zweiter. Das Verpassen des Halbfinales bei einer WM hätte sogar schon historische Ausmaße. Als eine deutsche Herren-Nationalmannschaft das letzte Mal ein Semifinale verpasste, wurde noch auf Naturrasen gespielt: Nur 1971 beim ersten WM-Turnier überhaupt war ein deutsches Team nicht mehr dabei, als um die Medaillen gespielt wurde, und belegte am Ende Platz fünf.
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Tor für die Niederlande: Deutschland am Boden
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Tor für die Niederlande: Deutschland am Boden
Der aufgeblähte internationale Spielkalender macht dabei den Deutschen genauso viele Schwierigkeiten wie das eigene hausgemachte Problem mit dem Hallenhockey. „Wir müssen uns davon verabschieden, dass alle alles spielen können. Das geht nicht mehr zusammen“, sagte Weise, der allerdings frühzeitig vor dem Szenario gewarnt hatte, das nun einzutreten droht. Vor dem Gold-Erfolg von London 2012 hatte er hervorgehoben, warum Hockey im Gegensatz zu Handball, Basketball oder Eishockey nicht nur für Olympische Spiele qualifiziert ist, sondern dort auch stets um die Medaillen spielt. „Wir haben die Zeit, Leistung zu entwickeln, weil wir keine Profisportart sind. Bekommen wir die Zeit nicht mehr, bekommen wir ein großes Problem.“
Es fehlt die Zeit
Das ist nun da, und auch der Internationale Hockey-Verband (FIH) und das Internationale Olympische Komitee haben da eine Rolle gespielt. Weil Hockey nach London zur Überraschung aller auf der Liste der gefährdeten Sportarten stand, wurde von der FIH flugs ein weiterer internationaler Wettbewerb eingeführt, der die vom IOC verlangte bessere Durchlässigkeit kleinerer Nationen zu Olympischen Spielen garantieren sollte. Weil aber zuvor schon die Europapokalwettbewerbe der Vereine von einem Termin an Pfingsten auf drei Wochenenden im Frühjahr erweitert worden waren, schränkt alles zusammen die Trainingsmöglichkeiten der Nationalmannschaft drastisch ein – zudem plant die FIH die Einführung einer Klub-WM.
„Uns fehlen ein paar Spiele auf höchstem Niveau im Vorfeld, um hier eine Topleistung zeigen zu können“, sagt Weise, und Gleiches gilt auch für Mülders und seine Damen. Eine Möglichkeit wäre, wie in den Niederlanden den Nationalspielern Auftritte in der Halle zu untersagen, aber das wären dicke Bretter, die Weise und Mülders da bei den Vereinen bohren müssten. Dafür aber wäre ein Scheitern in Den Haag vielleicht sogar hilfreich. Hockey wird in Deutschland schließlich fast ausschließlich über die Nationalmannschaften wahrgenommen, und diesen Warnschuss nun sollte niemand überhören.
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Quelle: F.A.S.
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