(Berlin, 8. Februar 2016, poonal).- „In einer Welt voller kapitalistischer Würmer muss man Mut haben, um ein Schmetterling zu sein.“ Dieses Zitat von Lohana Berkins, einer der bekanntesten Travesti-Aktivistinnen Argentiniens, trifft mit Sicherheit auch auf sie selbst zu. Am Freitag den 5. Februar starb Lohana Berkins im Alter von 43 Jahren nach längerer Krankheit in einem Krankenhaus in Buenos Aires. Sie hinterlässt viele Wegbegleiter*innen, die um sie trauern, aber auch viele Erfolge im Kampf um die Rechte von Travestis und Trans*-Personen in Argentinien. Diese wären ohne sie so nicht möglich gewesen.
Für sie war es revolutionär, sich als Travesti zu definieren. Im Gegensatz zu dem aus dem Englischen kommenden Begriff Transgender oder allgemeiner Trans* handelt es sich hierbei um einen eigenen Begriff der lateinamerikanischen Community. Er verweigert sich, so Lohana, jeglichen politischen Vereinnahmungen und Korrekturen. Als Travesti musste sie sich nicht auf eine Identität festlegen. Sie sah sich als Schwarze, Jüdin, Bolivianerin, Salteña und Feministin.
Aber auch Lohana Berkins hatte einen harten Weg zu gehen. In einem kleinen Dorf in Salta im Norden von Argentinien geboren, wurde sie mit 13 Jahren von zu Hause rausgeworfen, weil sie sich schon als Kind weigerte, die Rolle des Jungen einzunehmen. Sie musste mehrere Jahre im Gefängnis verbringen, weil sie Travesti war. Sie musste wie die meisten anderen Travestis auf der Straße Sexarbeit machen, weil ihr als Travesti keine andere Möglichkeit blieb, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Lebenslanger Kampf für Trans*-Rechte
Dennoch oder wohl eher deswegen kämpfte sie Zeit ihres Lebens für Trans*-Rechte in Argentinien. Sie war Gründerin und Vorsitzende von ALITT, einem Verein, der für die Anerkennung der Identität von Travestis und Trans*-Personen kämpft. 2001 wurde Lohana Berkins Kandidatin und Abgeordnete sowie Beraterin im Stadtparlament von Buenos Aires. Das machte sie zur ersten Travesti in Argentinien, die eine staatliche Anstellung erhielt. Ein Jahr später war sie Protagonistin eines fundamentalen Schrittes hin zu mehr Rechten von Travestis und Trans* in Argentinien. Sie schrieb sich an der Escuela Normal 3 ein, um sich als Lehrerin ausbilden zu lassen. Da das unter ihrem eigenen, gewählten Namen nicht möglich war, bestand sie auf einer Anzeige bei der Bürgerbeauftragten von Buenos Aires. Diese ordnete schließlich an, dass die Verantwortlichen die Identität von Lohana Berkins anerkennen müssen.
2008 gründete Lohana Berkins mit anderen Compañeras zusammen die erste kooperative Ausbildungsstätte für Trans*Personen und Travestis „Nadia Echazú“. Dort können sich Travestis zu Näherinnen ausbilden lassen und erhalten so eine reale Chance, mit der Sexarbeit aufhören zu können.
Nach vielen Jahren des Kampfes wurde 2012 in Argentinien das Gesetz zur „Identidad de Género“ verabschiedet. Es ist weltweit das einzige Gesetz dieser Art, das es Personen zugesteht, das eigene Geschlecht und den eigenen Namen frei zu wählen und rechtlich anerkennen zu lassen, ohne dafür pathologisiert zu werden. Lohana Berkins war eine der Vorkämpferinnen für dieses Gesetz. Als es dann verabschiedet wurde, schrieb sie jedoch, dass ihre Freude getrübt sei, weil viele ihrer Compañeras Travestis, die mit ihr dafür gekämpft haben, das nicht mehr erleben konnten.
Studien zufolge sterben immer noch etwa 75 Prozent der Trans*-Personen in Argentinien, bevor sie ihr 40. Lebensjahr erreichen. Ursachen dafür sind u.a. HIV/Aids, gesundheitsschädliche Brustimplantate und Gewaltübergriffe. Das Leben vieler Travestis wird also immer noch bestimmt von Angst, Diskriminierung, Gewalt und Armut.
Lohana Berkins und die vielen Trans*- und Travesti-Aktivist*innen haben viel erreicht und dennoch bleibt noch viel zu tun. So schrieb Lohana in ihrem letzten Brief:
„Liebe Compañeras, mein Gesundheitszustand ist sehr kritisch und erlaubt es mir nicht, euch persönlich zu treffen. Deswegen möchte ich euch über die Compañera Marlene Wayar ein paar Worte schicken und euch so für eure Liebe und Zuneigung danken. Wir haben in den letzten Jahren viele Triumphe gefeiert. Jetzt ist es Zeit, standzuhalten und für ihre Kontinuität zu kämpfen. Jetzt ist es Zeit für die Revolution, denn wir werden niemals wieder ins Gefängnis gehen. Ich bin überzeugt davon, dass die Liebe der Motor der Veränderung ist. Die Liebe, die sie uns verweigert haben, ist unser Antrieb, die Welt zu verändern. All die Schläge und die Verachtung, die ich erlitten habe, lassen sich nicht vergleichen mit der unendlichen Liebe, die mich in diesem Moment umgibt.
Furia Travesti Siempre. Un abrazo.“
Voló una mariposa – Abschied von Lohana Berkins von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
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