In der ersten Halbzeit machte Messi im ungewohnten 5-3-2-System seinem Sitznamen „Floh“ alle Ehre - er war fast nicht zu sehen. Titelkandidat Argentinien lag nur dank des schnellsten Eigentors der WM-Geschichte durch den untröstlichen Schalker Sead Kolasinac (3.) vorne - bis es dem Chef zu bunt wurde. In der Pause diktierte Kapitän Messi Trainer Alejandro Sabella die Rückkehr zum geliebten 4-3-3.
„Wir haben gemeinsam entschieden“, sagte der blasse Sabella später. Doch alle wussten: Es war Messi. Er habe sich „allein“ gefühlt, erklärte der Superstar seinen 45 Minuten lang anonymen Auftritt. „In der ersten Halbzeit ist er ja nicht viel gelaufen“, meinte Bosniens Torschütze Vedad Ibisevic vom VfB Stuttgart, „aber dann hat er gezeigt, dass er ein unglaublicher Fußballer ist.“ Ein Doppelpass mit dem eingewechselten Gonzalo Higuaín, ein Dribbling vorbei an zwei hilflosen Bosniern, ein satter Schuss an den Innenpfosten - Tor!
Wie wichtig ihm sein erster Treffer (65.) beim Weltturnier acht Jahre nach seiner Torpremiere war, zeigte Messis Reaktion: Völlig losgelöst schrie er seine Freude heraus und zerrte so sehr an seinem Trikot, dass der Hersteller dessen Halten als Qualitätsnachweis feiern durfte. „Messi, Messi“, schrien Zehntausende argentinische Fans. Der umjubelte Star nannte diesen ohrenbetäubenden Lärm beseelt „una locura“, einen Freudentaumel.
Dass er und nur er allein für Argentiniens Glück verantwortlich war, daran ließ Messi kaum einen Zweifel. Das System der zweiten Hälfte, das Sabella bei seinem Amtsantritt eigens für Messi installiert hatte, „gefällt uns Stürmern besser“, sagte dieser. Zuvor, im 5-3-2, habe er doch „sehr gelitten“. Es sei jetzt wichtig, dass Argentinien aus diesem ersten Spiel die richtigen Schlüsse zieht, fügte Messi vielsagend an. Kaum vorstellbar, dass Sabella es wagt, am Samstag in Belo Horizonte gegen den Iran erneut fünf Verteidiger aufzubieten.
Dass Messi Einfluss auf die Taktik und sogar auf die Aufstellung nimmt, ist nicht neu. Es gilt als offenes Geheimnis, dass es sein Wunsch war, bei der WM auf Carlos Tévez zu verzichten. Beim FC Barcelona war er unter Pep Guardiola mitverantwortlich dafür, dass der Coach Zlatan Ibrahimovic vom Hof jagte. Der „Messias“ duldet keine Götter neben sich. Nur bescheidene Zuarbeiter wie Xavi oder Iniesta. Von Sabella hat Messi nichts zu befürchten. „Er ist der beste Spieler der Welt, egal, was hier noch passiert“, sagt der fast unterwürfig.
Deutlich widerborstiger präsentierten sich die Bosnier. Ibisevic sprach von einem „kleinen Sieg“. Auf sein Tor (85.), das erste der jungen Republik bei einer WM, war er „stolz. Das war ein besonderer Moment für mich und unser Land.“
Nur einer konnte dieses Gefühl nicht teilen. Pechvogel Kolasinac saß noch Stunden nach dem Spiel bei der Dopingkontrolle und ließ auch den letzten Reporter wegschicken. Er wolle nichts sagen, ließ er ausrichten, er schäme sich zu sehr.
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