Verteidiger kritisiert Beweis-Videos – sz


Samstag, 08.11.2014

Dresdens größter Skimming-Prozess könnte nun zu Ende gehen. Ein 32-Jähriger soll fast 270.000 Euro erbeutet haben.

Von Alexander Schneider



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In dieser Postbank-Filiale wurden Kunden am Geldautomaten ausgespäht.

© Norbert Millauer

Etwas skurril ist der Prozess gegen einen 32-jährigen Angeklagten schon. Tagelang haben das Gericht, der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte nahezu wortlos nichts anderes als Videobilder angeguckt. Darauf war immer wieder das Gleiche zu sehen. Menschen betreten Banken, bedienen Geldautomaten und heben unablässig Bargeld ab. Im Hintergrund hetzen Passanten durch die Straßen der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Manchmal herrscht in den Bankfilialen Hochbetrieb, manchmal ist nichts los.

Eine tragende Rolle jedoch spielt der Angeklagte Claudiu B. Die Qualität der Bilder ist beeindruckend. Die hochauflösenden Aufnahmen lassen keinen Zweifel, der Angeklagte ist darauf bestens zu erkennen. Selbst seine drei markanten Leberflecken unter dem linken Auge.

Seit Ende September steht B. wegen Fälschens von Zahlungskarten vor dem Landgericht Dresden. Er soll eine maßgebliche Rolle in dem Dresdner Skimming-Fall mit dem bislang größten Schaden spielen. Ende Juli 2011 haben unbekannte Täter die Kontodaten mehrerer Hundert Kunden der Postbankfiliale in der Großenhainer Straße ausgespäht – die Daten wurden beim Einschieben der Geldkarten in den Automatenschlitz abgegriffen, die Kunden bei der Eingabe ihrer Pin-Nummer gefilmt. Die Kamera war in der Decke über dem Automaten versteckt. Mit den so ergaunerten Daten wurden Doubletten der EC- und Kreditkarten erstellt. Claudiu B. und weitere Komplizen sollen dann damit im großen Stil die Konten der ausgespähten Bankkunden geplündert haben. 267236,67 Euro erbeuteten sie laut Anklage Ende September 2011 in Buenos Aires.

Skimming-Angriffe auf Dresdner Geldautomaten waren zwischen 2008 und 2011 ein großes Problem. Der letzte Fall fand im Juni 2012 statt, auch da kam es zu einem Schaden von etwa 250000 Euro. Täter, die Ausspäh-Technik in Banken anbringen, nennt die Polizei „Läufer“. Sie stehen in der Hierarchie der Fälscherbanden ganz unten und tragen das größte Risiko, erwischt zu werden. Claudiu B. soll ein „Casher“ sein. So bezeichnen die Ermittler diejenigen, die das Bargeld abheben. Ihnen muss man mehr vertrauen können, sie könnten die Beute in die eigene Tasche stecken. Neben Läufern und Cashern braucht es jedoch weit mehr personifizierte kriminelle Energie einer Skimming-Bande: Techniker stellen Bauteile her, mit denen Kartendaten ausgespäht werden, IT-Spezialisten entschlüsseln die codierten Kartendaten und erstellen die Doubletten. Jemand muss auch die Logistik organisieren.

Als Zeuge berichtete Kriminalhauptkommissar Steffen Schmieder, wie solche Banden arbeiten. Der Dresdner Polizist hat schon einigen Tätern das Handwerk gelegt. Ein Casher ist aber auch für ihn etwas Besonderes. Als Schmieder Ende September 2011 nach einem Alarm der Banken in diesem Fall zu ermitteln begann, schaffte er es, mithilfe des Bundeskriminalamtes und der Diplomatie schnell die Überwachungsvideos der argentinischen Banken sichern zu lassen. So gerieten Claudiu B. und seine drei Komplizen ins Visier. Im März dieses Jahres wurde B. in Frankreich verhaftet.

Verteidiger Endrik Wilhelm jedoch bezweifelt den Beweiswert der Videos und widersprach am jüngsten Prozesstag dieser Woche ihrer Verwertung. Zum einen zeigten die Aufnahmen nur einen Bruchteil der Abhebungen, darüber hinaus zeigten manche Aufnahmen laut Wilhelm nicht die Banken, um die es konkret ginge. Es sei auch nicht ersichtlich, wo und durch wen die Bänder entstanden seien. Das Gericht muss sich am Dienstag, dem nächsten Sitzungstag, mit Wilhelms Antrag befassen.

Für Claudiu B. geht es um einige Jahre hinter Gittern. Er selbst hat sich bislang weder zu dem Vorwurf noch zu seiner Person geäußert. Er sitzt auf der Anklagebank und schweigt. Er ist mehrfach einschlägig vorbestraft, wurde bereits in Polen und Argentinien verurteilt. Der Vorsitzende Richter Joachim Kubista hatte unter Protest von Verteidiger Wilhelm die Urteile am ersten Verhandlungstag verlesen.


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Etwas skurril ist der Prozess gegen einen 32-jährigen Angeklagten schon. Tagelang haben das Gericht, der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte nahezu wortlos nichts anderes als Videobilder angeguckt. Darauf war immer wieder das Gleiche zu sehen. Menschen betreten Banken, bedienen Geldautomaten und heben unablässig Bargeld ab. Im Hintergrund hetzen Passanten durch die Straßen der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Manchmal herrscht in den Bankfilialen Hochbetrieb, manchmal ist nichts los.(...)

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Leser-Kommentare

Insgesamt 8 Kommentare

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  1. Jörg 07.11.2014, 23:19 Uhr

    wie würde Verteidiger Wilhelm reagieren / handeln wenn sein Konto bei diesen Aktionen geräumt worden wäre?
    Verbrecher werden geschützt (wer zahlt eigentlich den Verteidiger, der Steuerzahler) und die Opfer werden zu Deppen gemacht. In dem Land läuft einiges gewaltig aus dem Ruder.

  2. Roba 08.11.2014, 07:57 Uhr

    @Jörg: er hätte das Mandat nicht angenommen, so einfach ist Das. Im Übrigem hat Herr Schmieder bewiesen, dass ihm, und erst Recht nicht "in dem Land auch in diesem Fall Nichts "aus dem Ruder" gelaufen ist. Vor dem Kommentieren sollte man denken, dann läuft auch im Kopf Nichts durcheinander.

  3. Angebrüteter 08.11.2014, 08:38 Uhr

    @Jörg: Der Verteidiger hätte das Mandat vermutlich gar nicht erst angenommen, wenn ein Interessenkonflikt die bestmögliche Verteidigung verhindert hätte. Sie liegen also gleich zwei mal falsch. Der Verteidiger erfüllt seinen Aufgabe, weil er dazu beauftragt wurde und nicht aus Sympathie mit dem Angeklagten. Und mir ist eine hart ausgefochtene Entscheidung tausendmal lieber als auch nur ein zu Unrecht Verurteilter. Das nennt sich Rechtsstaat, der übrigens auch Sie vor staatlicher Willkür schützt. Denken Sie mal darüber nach, welches Maß Sie bei Ihnen selbst anzulegen bereit sind. Zudem trägt nur bei einem Freispruch der Staat die Kosten, bei einer Verurteilung werden dem Straftäter sowohl die Kosten seines Verteidigers als auch die des Gerichtes auferlegt.

  4. Dirk 08.11.2014, 08:43 Uhr

    Bitte Justiz (Anwaltskammer): Legt diesem Anwalt endlich das Handwerk. Es ist unerträglich wie er Opfer verhöhnt und Gerichte missachtet.

  5. suse 08.11.2014, 12:43 Uhr

    Ich kann den Namen des Verteidigers auch bald nicht mehr hören/lesen. Obwohl der Täter durch das Video ermittelt wurde (Dank der guten Ermittlungsarbeit des Kriminalisten), versucht der Verteidiger den Täter als unschuldig darzustellen. Jetzt werden andere wieder sagen, ja das ist ja seine Aufgabe - aber bestimmt nicht, wenn Beweisvideos vorliegen. Schade um die Ermittlungstätigkeit des Kriminalisten.

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