Verschnaufpause für Argentinien, doch die Probleme bleiben

    Von Shane Romig

BUENOS AIRES - Argentinien hat es in den vergangenen Tagen – zumindest vorläufig – geschafft, die dramatischen Abflüsse aus den Fremdwährungsreserven zu stoppen und den Wert des angeschlagenen Peso zu stabilisieren. Stützend wirkten die erhöhten Leitzinsen sowie die massiv gesenkten Dollarbestände bei den Banken.

Den Trend halten Volkswirte aber nur für kurzlebig, so lange Präsidentin Cristina Kirchner keine schmerzvollen Reformen anstrengt, um die deformierte Wirtschaft Argentiniens wieder auf das Gleis zu setzen. Das zentrale Problem ist das hartnäckig fehlende Vertrauen in den Peso, der allein im Januar um 19 Prozent abgewertet hat, weil Argentinier immer mehr Dollar kaufen wollten. „Die Leute sind ein bisschen weniger ängstlich jetzt, aber es gibt noch immer gehörige Skepsis darüber, wie lange sich die Situation so halten wird", sagt Daniel Marx, ein früherer Finanzstaatssekretär, der jetzt bei Beratungsfirma Quantum Finanzas in Buenos Aires arbeitet.

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Associated Press

Der Wert des Peso steht trotz der jüngsten Erholung weiter unter Druck. Eine Lösung der grundlegenden Probleme ist in Argentinien nicht in Sicht.

Am staatlich regulierten Markt stieg der Wert des Peso am Montag auf 7,80 Peso je Dollar, nachdem er zu Monatsbeginn noch bei knapp über 8,00 Peso stand. Aber dem ist ein dramatischer Kursrutsch im Januar vorausgegangen, der die Gefahr einer Finanzkrise in der zweitgrößten südamerikanischen Volkswirtschaft wachrief. Die Politik war gezwungen, die Währung abzuwerten, was die Ärmsten am stärksten trifft und eine abrupte politische Kehrtwende für die populistische Regierung von Kirchner darstellte.

Der Wechselkurs des Peso zog am Montag auch auf dem Schwarzmarkt an, wo der Dollarkurs auf 11,55 Peso zurückfiel nach Ständen von rund 13 Peso Ende Januar. Die Regierung hat es mit ihren Maßnahmen sogar vermocht, die beständigen Abflüsse aus den Fremdwährungsreserven der Zentralbank zu verlangsamen. Während in der letzten Januarwoche noch fast eine Milliarde Dollar verbrannt wurden, gewann die Notenbank am Freitag sogar 19 Millionen Dollar.

Trend bei Währungsreserven geht nach unten

Dennoch, der Trend ist für Volkswirte Besorgnis erregend. Am Montag schrumpften die Reserven schon wieder um 83 Millionen Dollar. Aktuell liegen 27,7 Milliarden Dollar an Fremdwährungen auf dem Konto der Zentralbank. Beim Höchststand im Januar 2011 beliefen sie sich noch auf 52,6 Milliarden Dollar.

Daniel Artana, Chefvolkswirt der Stiftung für Lateinamerikanische Wirtschaftsforschung in Buenos Aires, sagt, dass die Regierung lediglich etwas Zeit gewinne. Wenn es keine durchschlagenden Reformen gebe – angefangen bei den hohen Haushaltsdefiziten, den massiven Ausgaben für Energie und den hohen Subventionen für die Transportsysteme – dann werden wir „in ein paar Wochen oder vielleicht auch Monaten genau die gleichen Probleme wieder diskutieren", sagt Artana.

Zu den internationalen Anleihemärkten hat Argentinien schon seit dem 100 Milliarden Dollar schweren Zahlungsausfall 2001 keinen Zugang mehr. Die Fremdwährungsreserven sind damit eine der wenigen verfügbaren Zugänge zu harten Devisen. Die Regierung hat immer wieder auf diese Reserven zurückgegriffen, um Auslandsrechnungen zu begleichen, importiertes Benzin zu bezahlen oder die unzähligen Sozialprogramme zu finanzieren, die Kirchner die Unterstützung der Massen gesichert haben.

Das Zusammenschmelzen der Fremdwährungsreserven weckt jetzt die Besorgnis, ob die Regierung ihren Verpflichtungen künftig noch nachkommen kann. Die ist aber alles andere als untätig. In der vergangenen Woche hat sie den Privatbanken ein 30-Prozent-Limit für Fremdwährungsbestände auferlegt, die Dollarkäufe von Importeuren gebremst und den Druck auf Getreideexporteure erhöht, möglichst schnell neue Dollar ins Land zu bringen.

„Diese Maßnahmen zur finanziellen Repression sind nur ein kurzfristiges Beruhigungsmittel für das ständige Abschmelzen der Reserven", kritisiert Alberto Ramos, Volkswirt bei Goldman Sachs in New York. „Tatsächlich könnten sie sogar kontraproduktiv sein, weil sie signalisieren, dass die Regierung für einen echten Politikwechsel noch nicht bereit ist."

Inflation gerät außer Kontrolle

Argentinien leidet unter der zweithöchsten Inflation in Lateinamerika hinter Venezuela. Die Teuerungsrate liegt laut unabhängigen Experten bei jährlich etwa 28 Prozent. Volkswirte gehen davon aus, dass die Inflation in diesem Jahr noch auf 40 Prozent anspringt.

Die Zentralbank hat die Leitzinsen in den vergangenen zwei Wochen angehoben, während die in Peso denominierten 70- und 91-Tage-Schatzwechsel eine Rendite von fast 29 Prozent bieten. Und dennoch gelten derartige Zinsangebote als nicht hoch genug, um die exzessive Teuerung im Land zu überwinden, hieß es jüngst in einer Studie von Morgan Stanley.

Unterdessen hat das 30-Prozent-Limit auf Fremdwährungsbestände die Banken gezwungen, 1,1 Milliarden Dollar an die Regierung zu verkaufen. Zudem haben sie in Dollar denominierte Anleihen verkauft, um den neuen Anforderungen nachzukommen. Schätzungen, wie viel die Banken insgesamt wohl verkaufen müssen, um die staatlichen Vorgaben zu erfüllen, reichen von 1,5 bis zu 5,0 Milliarden Dollar.

In ihrem Bestreben, mehr Dollar zu sammeln, nötigt die Regierung auch die Bauern, das noch vorhandene Getreide zu verkaufen, das in den Silos lagert. Aber die Bauern zögern mit dem Verkauf, denn indem sie so lange wie möglich damit warten, sichern sie sich selbst gegen die herrschende Inflation und die Abwertung des Peso ab.

Am Freitag sagte Kirchners Kabinettschef, Jorge Capitanich, dass die Getreideexporteure, zu denen auch die Sojabauern gehören, ihm versichert hätten, dass die Ausfuhren in diesem Monat noch rund 2 Milliarden Dollar einbringen würden. Zudem werde für März eine gewisse Erleichterung erwartet, weil dann die aktuelle Sojaernte an die Märkte komme, heißt es von Regierungsseite.

Sojabohnen sind die wichtigste Deviseneinnahmequelle des Landes. In diesem Jahr werden die Einnahmen dafür auf 29 Milliarden Dollar geschätzt.

Mitarbeit: Taos Turner

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