Erneut erschüttern brutale Bilder aus ausländischen Mastbetrieben die Bevölkerung. Die Dienstagausgabe der TV-Sendung „Kassensturz“ des Schweizer Fernsehen (SRF) legte das Augenmerk auf die Haltungsbedingungen von Pferden auf Mastbetrieben in Kanada, Mexiko und Argentinien. Rund 90 Prozent des verkauften Pferdefleisches in der Schweiz stammt aus dem Ausland.
Die Haltung der Pferde entspricht weder Schweizer noch EU-Standard
Die Aufnahmen aus Kanada, aus diesem Land stammt der grösste Teil des in der Schweiz verkauften Pferdefleisches, zeigen an Verletzungen leidende Tiere, solche, die an einer Kolik leiden und sogar eine Stute, die ein totes Junges zu gebären versucht. Doch niemand kümmert sich um die leidenden Stute. Erst als die Tierschützer Hilfe anforderten, kamen Mitarbeiter von Bouvry, Kanadas grössten Mast- und Schlachtbetrieb mit EU-Zulassung für das Schlachten, auf den Mastbetrieb. Die Tierschützer wurden vertrieben, das Pferd weggeführt.
Sabrina Gurtner vom TSB, die auch die Aufnahmen gedreht hat, spricht Klartext: «Wir werfen Bouvry Exports vor, dass Pferdefleisch unter tierschutzwidrigen Bedingungen produziert wird. Die Haltung der Pferde entspricht weder Schweizer noch EU-Standard.»
Brutal sind auch die Bilder aus Mexiko, einem weiteren Herkunftsland des in der Schweiz verkauften Pferdefleisches. Da in den USA seit 2007 keine Pferde mehr geschlachtet werden, gelangen die Tiere nebst nach Kanada auch nach Mexiko. In US-Sammelstellen werden die Tiere in grosse Lkws verladen und über Stunden an die Grenze gekarrt. Geschwächte und verletzte Tiere werden nicht medizinisch betreut. Sie werden weder mit Wasser noch Futter versorgt. An der Grenze werden die Pferde kontrolliert und in den Mastbetrieb überführt. Einige der Tiere sterben in der Enge des Anhängers. Und die Mitarbeiter gehen äussert brutal gegen die Tiere vor. Die Fahrt zum Schlachthof einige Monate später dauert 16 Stunden.
So lange Tiertransporte sind tierquälerisch
Der TSB zeigte aber auch schockierende Aufnahmen aus Argentinien. Die Tiere werden von Hunden gehetzt und malträtiert, und auch schwer verletzte Tiere kommen auf die Transporter. Nach 18-stündiger Fahrt erreichen die erschöpften Pferde den Schlachthof. Die Pferde-Expertin Iris Bachmann, sie arbeitet am Schweizerischen Nationalgestüt in Avenches, betont, dass im Umgang mit Pferden Ruhe wichtig sei. Bei schnellen Bewegungen, Schlägen und bellenden Hunden würden die Tiere panisch werden. Zudem seien so lange Tiertransport ohne Pause, Tränke und Fütterung ganz klar tierquälerisch.
Pferdefleisch-Importeur GVFI mit eigenartiger Argumentation
Als Reaktion auf die angekündigte Sendung des SRF haben die Detailhändler Migros, Coop, Aldi, Denner, Volg und Lidl Artikel aus Pferdefleisch aus dem Sortiment genommen. Coop hat Charcuterie-Artikel ausgelistet. Das Frischfleisch stammt aus Polen und Frankreich. Die Migros hat vier Prozent des importierten Pferdefleisch aus den Regalen entfernt. Produkte von Bouvry werden weiter angeboten. Begründung der Migros gegenüber Kassensturz: Die Vorgaben an die Pferdefleischproduktion der Migros umfassen die Mast, den Transport in den Schlachtbetrieb, die Schlachtung und die Verarbeitung. Die Tiere würden bei Bouvry während sechs Monaten gemästet, es handle sich weder Freizeit- noch Sportpferde. Spar nimmt alle Produkte ausser jene von Bouvry aus dem Sortiment. Die Kanadier hätten bestätigt, dass die Anforderungen von Spar erfüllt würden.
Der grösste Importeur von Pferdefleisch ist die Basler GVFI. Vor der Kamera will niemand Stellung nehmen. Schriftlich teilt GVFI dem Kassensturz, dass die Betriebe die EU-Verordnung einhalten würden. Diese sehe vor, dass ein Tierschutzverantwortlicher die Tiere kontrolliert. Und wörtlich heisst es: «Die aktuellen Berichte dieser Tierschutz-Audits belegen, dass die Tiere weder geschlagen noch von Hunden gebissen wurden. Das Filmmaterial, welches der Tierschutzbund Zürich erstellt hat und beschrieben wird, weisen unsere Lieferanten vehement zurück.»
Zweitgrösster Importeur will noch einmal Kontrolle durchführen
Der zweitwichtigste Importeur von Pferdefleisch, die Skin Packing SA, welche die Migros und Spar beliefert, zeigt sich überrascht ob den ausgestrahlten Bildern. Jürg Löpfe, Veterinär Auditor von Skin, besuchte den Betrieb von Bouvry verangenen Sommer. Damals habe er solche Bilder nicht zu Gesicht bekommen. Wenn sich diese Bilder aus Kanada bestätigen sollten, wäre dies nicht in Ordnung. Löpfe will die Betriebe nun noch einmal kontrollieren. Die Tiere sollten gemäss Löpfe täglich kontrolliert werden. Kranke oder verletzte Tiere müssten behandelt oder getötet werden. Über das Vorleben, der Zeit vor dem Mastbetrieb, läge die Kontrolle bei Bouvry. Diese könne die Herkunft jedes Pferdes nachweisen, auch von solchen aus den USA.
Bvet-Direktor sagt: Recherchen werden Folgen haben
Thomas Jemmi, stellvertretender Direktor des Bundesamts für Veterinärwesen (BVET), sagte in der «Kassensturz»-Sendung, dass die Ergebnisse der Recherche «Folgen haben werden». «Die Bilder machen mich betroffen», sagte er weiter.
Er gab zudem zu bedenken, dass die Umsetzung der Tierschutzgesetzgebung in der Schweiz streng kontrolliert werde. «Leider hört unsere Gesetzgebung aber an der Schweizer Grenze auf», sagte Jemmi. Das Bvet werde sich mit der Branche an einen Tisch setzen und das weitere Vorgehen besprechen.