Staatsanleihen: Argentinien muss privaten Gläubiger auszahlen – STB Web

27.02.2015 | Bundesgerichtshof

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zwei Verfahren entschieden, dass die Republik Argentinien die Erfüllung von Zahlungsansprüchen privater Gläubiger aus von ihr begebenen Inhaberschuldverschreibungen nicht verweigern kann.




In den beiden Verfahren macht der jeweilige Kläger Ansprüche aus Inhaberschuldverschreibungen geltend, die von Argentinien im Jahr 1997 (Az. XI ZR 193/14) bzw. im Jahr 1996 (Az. XI ZR 47/14) ausgegeben wurden. Argentinien sieht sich seit 1999 mit erheblichen volkswirtschaftlichen Problemen konfrontiert, die sich zumindest zeitweise bis zu einer Finanzkrise des Staates ausgeweitet hatten. Mit der Reform des Wechselkurssystems vom Januar 2002 wurde der "öffentliche Notstand auf sozialem, wirtschaftlichem, administrativem, finanziellem und währungspolitischem Gebiet" erklärt. Auf dieser Grundlage wurde der Auslandsschuldendienst ausgesetzt, um ihn neu zu ordnen. Das Gesetz über den öffentlichen Notstand wurde immer wieder - zuletzt ein weiteres Mal bis zum 31.12.2015 - verlängert. Aufgrund dessen fielen auch die beiden Kläger mit den von ihnen nunmehr im Klagewege geltend gemachten Ansprüchen aus.

Das Völkerrecht kennt kein Konkursrecht für Staaten

Der BGH kam in den Urteilen vom 24.02.2015 zu dem Ergebnis, dass es keine allgemeine Regel des Völkerrechts gibt, die einen Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand oder wegen einer mit der Mehrheit der Gläubiger freiwillig zustande gekommenen Umschuldung zeitweise zu verweigern. Dabei hat der Bundesgerichtshof an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts angeknüpft, das bereits im Jahr 2007 im Zusammenhang mit anderen argentinischen Staatsanleihen festgestellt hatte, dass das Völkerrecht weder ein einheitliches noch ein kodifiziertes Konkursrecht der Staaten kennt (BVerfGE 118, 124). Diese Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts haben nach wie vor Gültigkeit, so der BGH.

Euro-Rettungsmaßnahmen für Griechenland schafft keine neue Rechtslage

Entgegen der Auffassung Argentiniens hat sich insbesondere nicht als Folge der Weltfinanzmarktkrise und der Euro-Rettungsmaßnahmen für Griechenland eine allgemeine Regel des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG mit dem Inhalt herausgebildet, dass sich sämtliche privaten Gläubiger eines Staates im Falle eines wirtschaftlichen und finanziellen Staatsnotstands an einer Umstrukturierung der Schulden beteiligen müssen und dem notleidend gewordenen Staat bis zu einer entsprechenden Vereinbarung ein Leistungsverweigerungsrecht hinsichtlich fälliger Zahlungsansprüche aus Privatrechtsverhältnissen zusteht. Denn in der Sache besagt dieser Ansatz nichts anderes, als dass dadurch das völkergewohnheitsrechtliche Institut des Notstands für den Sonderfall der Zahlungsunfähigkeit in Voraussetzungen und Rechtsfolgen konkretisiert wird. Im Kern beinhaltet er damit die Behauptung eines von der Staatengemeinschaft anerkannten Insolvenzrechts der Staaten. Ein solches besteht indes unzweifelhaft nicht, betonten die BGH-Richter, sodass es auch einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nicht bedurfte.

 (BGH / STB Web)

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