Sheila Klinkhammer

Euskirchen. 

Was treibt eine junge Frau aus der Eifel, die fest im Berufsleben steht, eine eigene Wohnung und einen Partner hat, dazu, für ein Jahr nach Argentinien zu gehen? „Da ist so eine innere Kraft“, sagt

Sheila Klinkhammer.

Diese Kraft äußere sich schon seit vielen Jahren als Wunsch, eine Zeit lang in einem fernen Land ehrenamtlichen Dienst zu leisten, erklärt die 31-jährige Vussemerin. Wahr wurde ihr Traum im Rahmen der „Jesuit European Volunteers“, dem Freiwilligendienst, den der Jesuitenorden organisiert. So hat die junge Frau ihre Jobs in der Marmagener Eifelhöhen-Klinik und in zwei Privatpraxen gekündigt, um in Argentinien mit geistig und körperlich behinderten Kindern zu arbeiten, die sie physiotherapeutisch betreut.

Seit dem Sommer lebt und wirkt Sheila Klinkhammer nun in der Stadt San Ramón de la Nueva Orán im Norden Argentiniens. So berichtet die junge Eifelerin aus Südamerika, wo sie unter anderem auch mit subtropischen Klima und Temperaturen, die bis an die 50-Grad-Marke reichen können, zurechtkommen muss: „Ich wohne zusammen mit Leo, Kati und Angelika – drei anderen Freiwilligen – im Centro Jan José, in dem ich auch arbeite.“ Das Centro beschreibt sie als Frühförderungseinrichtung mit verschiedenen Fachbereichen für Kinder aus den Armutsvierteln der Stadt.

Es umfasst drei Gebäudekomplexe, in denen neben den Freiwilligen unter anderem die Frühförderung, der Förderunterricht, die zum Team gehörenden Psychologen, die Küche, die Sanitärräume und eben auch Sheila Klinkhammers Arbeitsbereich, die Physiotherapie, untergebracht sind. „Meine kleinen Patienten“, berichtet die Physiotherapeutin, „sind in der Regel zwischen einem und drei Jahre alt.“ Wenige seien älter – bis zu 19 Jahre alt. Meist handele es sich um Kinder mit Hirnschädigungen.

„Die Krankheitsbilder lauten etwa Infantile Zerebralparese, Down Syndrom, Autismus und Entwicklungsverzögerung“, so Sheila Klinkhammer. Gründe dafür, so die Vussemerin, könnten die ungesunde Lebensweise der Mütter aufgrund von schlechter Ernährung, Alkohol- und Drogenkonsum oder der Aufnahme von Chemikalien im Zusammenhang mit dem Anbau von Monokulturen wie riesigen Zuckerrohrplantagen sein, erklärt Sheila Klinkhammer.

Auch die mangelnde Hygiene in vielen Krankenhäusern könne etwa bei Kaiserschnitten zur Schädigung des Kindes führen. „Meine Aufgabe liegt zunächst oft darin, alle Gelenke passiv zu bewegen, da den Kindern selbst oft keine aktiven Bewegungen möglich sind“, berichtet die Vussemerin.

Daher sei die physiotherapeutische Betreuung nötig, damit keine Sehnenverkürzungen oder Deformitäten und damit Versteifungen der Gelenke entstünden. „Bei älteren Kindern ist das leider oft schon in drastischer Form der Fall“, sagt Sheila Klinkhammer. Dann könnten die Patienten ihre Knie nicht mehr durchstrecken oder die Hände nicht öffnen. Da Sheila Klinkhammer die einzige Physiotherapeutin im Team ist, sind ihre Fachkenntnisse sehr gefragt. So wurde sie bereits nach zweieinhalb Monaten im Camp und vier Monaten Spanisch-Unterricht gebeten, ein Referat über Entwicklungsverzögerungen bei Kindern zu halten. „Ich hielt den Vortrag gemeinsam mit einem Arzt und einer Logopädin – vor den Augen der neugierigen Eltern“, erinnert sich die 31-Jährige.

Der Vortrag, für den sie unter anderem ein Poster mit spanischen Erklärungen gebastelt hatte, sei ihr ein Herzensanliegen gewesen, denn: „Ich hatte im Camp öfter die Erfahrung gemacht, dass Eltern nicht wissen, wie weit ihr Kind in der Entwicklung sein sollte und daher erst sehr spät – manchmal erst nach einem Jahr – einen Arzt aufsuchen.“

Durch den so verzögerten Therapiebeginn, so Sheila Klinkhammer, verlören die Kinder wertvolle Zeit. Neben der Arbeit im Centro ist sie an einem Vormittag an einer Förderschule im Stadtzentrum eingesetzt. „Das gibt mir auch mal die Möglichkeit, aus dem Centro herauszukommen und etwas anderes zu sehen“, berichtet die junge Frau. Doch egal, ob im Centro oder in der Schule – Sheila ist glücklich, mit den Kindern arbeiten zu dürfen.

„Manchmal wundere ich mich selbst“, sagt sie, „wie einfach mir die Arbeit von der Hand geht und wie viel Freude sie mir macht.“

Auch wenn es nicht immer leicht sei, die oft schwerstbehinderten Kinder zu erleben – ein Lächeln oder eine neu erworbene Bewegung ihrer kleinen Patienten genüge, um sie alles andere vergessen zu lassen. „Ich kann nun endlich dieser inneren Kraft folgen, die mich schon so lange dazu angetrieben hat, benachteiligten Menschen in einem fremden Land zu helfen – so, wie auch mir damals geholfen wurde“, sagt Sheila Klinkhammer.

Dann erzählt sie das, was der Vorname und Sheila Klinkhammers Aussehen schon ahnen lassen. „Ich komme aus Indien“, berichtet sie. Vielleicht liege sie auch darin begründet, diese innere Kraft: „Ich möchte auch etwas zurückgeben.“

Denn vor beinahe drei Jahrzehnten adoptierte das Vussemer Ehepaar Annelise und Johannes Klinkhammer ein kleines Mädchen aus einem Waisenhaus im südindischen Karnataka. „Meine Mutter lernte beim Studium in Köln den Jesuitenpater Leo d’Souza kennen.“ Der habe den Kontakt zu dem von den Jesuiten geführten Waisenhaus hergestellt, als die Klinkhammers beschlossen, ein bis dahin vom Leben benachteiligtes Kind zu adoptieren. Nach Sheila nahmen sie aus einer anderen Einrichtung ein paar Jahre später auch die jüngere Adoptivtochter Lakme bei sich auf. Es sei vermutlich auch das Milieu, in dem sie aufgewachsen ist, das ihren Entschluss, sich für andere ehrenamtlich einzusetzen, bestärkt habe, sagt Sheila Klinkhammer: „Ob als Ortsvorsteher, im Rat der Stadt Mechernich oder für soziale Projekte – meine Eltern haben sich immer eingesetzt und anderen geholfen.“

Mit Pater Leo blieben die Vussemer immer in engem Kontakt. Mittlerweile setzen sich nicht nur die Klinkhammers, sondern das ganz Dorf für das indische Waisenhaus ein, wie Sheila Klinkhammer berichtet: „Ob bei Konzerten der Musikvereine oder dem jährlichen großen Basar – immer helfen alle Vussemer mit und sammeln Geld für Indien.“ Pater Leo war es auch, der Sheila Klinkhammer auf die „Jesuit Volunteers“ aufmerksam gemacht hatte.

Da es vor Ort in Argentinien an Therapiematerialien und Hilfsmitteln fehlt, kann man den Einsatz von Sheila Klinkhammer unterstützen, hierfür wurde bei den Jesuiten eigens ein Spendenkonto eingerichtet. Neuigkeiten kann man regelmäßig im Internet verfolgen. (pp)

 

www.4freiwillige-in-oran.

jimdo.com

 

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