Auf dem Papier ist die Schweiz der Favorit in der Gruppe E. Zumindest auf dem Papier, auf dem das FIFA-Ranking notiert ist. Auf Platz 9 steht da die Schweiz. England ist nur die Nummer 20. Slowenien kommt auf Rang 39 - Estland (93.), Litauen (104.) und San Marino (208.) sind noch viel, zum Teil viel, viel weiter zurck. "Wir werden den 1. Platz anpeilen", sagte Verteidiger Stephan Lichtsteiner.
Im Hinblick auf den ersten Match gegen England in Basel aber relativieren die Schweizer die Rolle, die ihnen gemss Statistik aus der jngeren Vergangenheit zusteht. "England hatte an der WM nicht so gute Resultate. Aber sie haben noch immer eine gute Mannschaft und wollen sich rehabilitieren", sagte Xherdan Shaqiri. Und Steve von Bergen ergnzte: "Man braucht nur auf die Namen in der Offensive zu schauen: Rooney, Sterling, Welbeck. Und auf die Klubs, in denen sie spielen: Manchester United, Liverpool, Arsenal." Darum meint auch Lichtsteiner: "England ist und bleibt der Gruppenfavorit." Trotz frhem WM-Ausscheiden, trotz den Rcktritten von Steven Gerrard und Frank Lampard.
Die Schweiz bekommt es also gleich zu Beginn mit dem strksten Gegner zu tun, ehe die EM-Qualifikation am 9. Oktober mit dem Auswrtsspiel gegen die nominelle Nummer 3 der Gruppe, Slowenien, weitergeht. Der Start ist schwierig genug, doch der Start darf nicht misslingen. Nicht so, wie vor vier Jahren, als in der Ausscheidung zur EM 2012 unter Ottmar Hitzfeld zunchst das Heimspiel gegen England (1:3) und dann das Auswrtsspiel gegen Montenegro (0:1) verloren ging. Diesem Handicap lief die Schweiz eine Qualifikation lang erfolglos hinterher.
Das Niveau im europischen Fussball ist zwischen den Rngen 10 bis 30 ziemlich ausgeglichen. Fnf von 16 EM-Teilnehmern 2012 haben die WM 2014 verpasst. Dafr hatten Belgien und die Schweiz, die beide an der WM die K.o.-Phase erreichten, an der letzten EM noch gefehlt. Und Lnder wie die Trkei oder Schottland haben sich seit Jahren fr keine Endrunde mehr qualifiziert.
Qualifikation weiterhin kein Selbstlufer
Diese Beispiele mssen Warnung genug sein, dass die Qualifikation fr die EM auch mit dem neuen Modus (die neun Gruppensieger und -zweiten sowie der beste Gruppendritte sind direkt qualifiziert, die acht weiteren Gruppendritten bestreiten die Barrage) kein Selbstlufer ist. Fr die Schweiz als WM-Achtelfinalist ist die Qualifikation Pflicht, aber auch ein Scheitern liegt nicht gnzlich ausserhalb des Vorstellbaren. "Wenn wir es nicht schaffen, mssen wir ber die Bcher. Dann ist das ein sehr grosser Misserfolg. Aber wir drfen auch nicht berheblich sein. Es muss immer ein Thema sein, dass man scheitern kann", so Lichtsteiner.
Die Schweiz ist nicht auf der gleichen Stufe wie Deutschland, Spanien, Holland, Italien oder Frankreich, fr die eine Qualifikation nun erst recht keine Stolpersteine mehr bereit hlt. Teams aus den Tpfen drei bis fnf rechnen sich auch gegen die Schweiz Chancen aus, sie werden lnger im Rennen um ein EM-Ticket sein als in der Vergangenheit. Das macht die Aufgabe gegen Mannschaften wie Estland oder Litauen mit dem neuen Modus schwieriger.
Gefordert: Resultate und Spektakel
Zunchst aber geht es gegen England. Dieses Startspiel ist nicht nur der Beginn in eine neue Ausscheidung, es ist auch der Auftakt zu einer neuen Trainer-ra. Ohne Verzgerung und ohne Testspiel geht es fr Vladimir Petkovic um Punkte. Nach dem "Welttrainer" Ottmar Hitzfeld, der die Schweiz in zwei von drei Anlufen an eine Endrunde gebracht hat, wird die ffentlichkeit Resultate und Leistungen von Petkovic' Auswahl kritisch beugen. Die Erwartungen an den neuen Coach sind sehr hoch. Petkovic soll mindestens die Resultate von Hitzfeld wiederholen, dabei aber einen spektakulreren Fussball bieten als sein pragmatischer Vorgnger.
Schon in der ersten Partie werden erste Anzeichen erwartet, ob das neue System (vom 4-2-3-1 zum 4-3-3) und die neue Rolle von Granit Xhaka (nicht mehr hinter der Sturmspitze, sondern im Dreier-Mittelfeld) der Qualitt im Schweizer Spiel tatschlich zutrglich sind. Zudem wird sich zeigen, ob Yann Sommer als neue Nummer 1 den aus dem Nationalteam zurckgetretenen Diego Benaglio auch wirklich mhelos ersetzen kann.
Das sind die Fragen, die vor der neuen ra taktisch und personell im Zentrum stehen. Es sind wenige genug, denn Petkovic hat eine intakte und im Schnitt junge Mannschaft bernommen. Es spricht einiges dafr, dass im Vergleich zum WM-Achtelfinal vor 69 Tagen gegen Argentinien neun von elf Spieler auch gegen England von Beginn weg dabei sind. Einer der "Neuen" ist Sommer, der andere drfte Steve von Bergen sein, der an der WM ab dem zweiten Gruppenspiel wegen des Bruchs des linken Augenhhlenbodens ausfiel.
Petkovic geht mit einigen Sicherheiten an seine Aufgabe heran. Einige mehr jedenfalls als viele seiner Vorgnger, die entsprechend holprig gestartet sind. Seit Louis Maurer (1970) hat nur Roy Hodgson, der heute auf der Bank der Englnder sitzt, sein erstes Pflichtspiel mit der Schweiz gewonnen (1992). Zur Erinnerung: Unter Hitzfeld gab es vor sechs Jahren zum Beginn der WM-Qualifikation 2010 das 2:2 in Israel und das 1:2 in Zrich gegen Luxemburg. (Si)