Rohani: Vom antisemitischen Schreibtischtäter zum „Hoffnungsträger“?

Es war nach 1945 der opferreichste antisemitische Anschlag außerhalb Israels: 1994 explodierte eine Bombe im jüdischen Gemeindezentrum in Buenos Aires. 85 Menschen wurden ermordet, hunderte schwer verletzt. Die argentinische Justiz macht bis heute das iranische Regime und die Hisbollah für den Anschlag verantwortlich…

von Stephan Grigat
Jungle World Blog, 22.06.2013

Ahmad Vahidi, der noch amtierende Verteidigungsminister des iranischen Regimes, der bei seiner Angelobung 2009 von den Abgeordneten des iranischen Pseudoparlaments mit „Tod Israel“-Rufen und stehenden Ovationen empfangen wurde, wird von Interpol als einer der maßgeblichen Verantwortlichen der Attacke mit internationalem Haftbefehl gesucht.

Nach Angaben des Überläufers Abolghasem Mesbahi, vormals Mitarbeiter des iranischen Geheimdiensts Vevak, wurde die Entscheidung zu dem Massaker von einem Sonderausschuss gefällt, der eng mit dem Nationalen Sicherheitsrat des iranischen Regimes verbunden war. Hassan Rohani, der dauerlächelnde Sieger der Farce der iranischen Präsidentschaftswahlen, war zu dieser Zeit als enger Vertrauter des Obersten Geistlichen Führers Ali Khamenei Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats. In dem Sonderausschuss, der über den Anschlag in Argentinien entschieden hat und auch das Mykonos-Attentat in Berlin angeordnet haben soll, saßen laut dem argentinischen Generalstaatsanwalt Alberto Nisman unter der Leitung von Khamenei der damalige Präsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani (der bis heute im Westen als „Moderater“ verklärt wird), der Khamenei-Vertraute Mir Hejazi, Geheimdienstminister Ali Fallahian (der Anfang der 1990er-Jahre noch vom BND in Pullach, beim Verfassungsschutz und im Kanzleramt empfangen wurde), Außenminister Ali Akbar Velajati und – Hassan Rohani.

Doch auch jenseits seiner Mitverantwortung für die Ermordung von 85 Menschen im jüdischen Gemeindezentrum in der argentinischen Hauptstadt ist Rohani in keiner Hinsicht jener „Mann des Ausgleichs und der Versöhnung”, als der er in zahlreichen Medienberichten verklärt wird, oder gar ein „bärtiger Hoffnungsträger mit Herz“, als den ihn der Jubelperser der deutschen Linken, Bahman Nirumand, in der taz portraitiert. 1999 forderte er die Todesstrafe für protestierende Studenten. Israel ist für ihn wie für alle anderen Vertreter des iranischen Regimes der „große zionistische Satan“, gegen den er die „vollständige Wiederherstellung der Rechte des palästinensischen Volkes“ fordert – was das gleiche meint wie jene Äußerung seines Chefs Ali Khamenei, dass Israel ein „Krebsgeschwür sei, das herausgeschnitten werden wird und herausgeschnitten werden muss“, jedoch in jenem pseudodiplomatischen Jargon formuliert, der auf die Bedürfnisse feinfühliger Europäer und der Augstein-Linken etwas mehr Rücksichten nimmt, als Mahmoud Ahmadinejad das getan hat.

Völlig zu Recht rühmte Rohani sich, dass durch sein Verhandlungsgeschick gegenüber dem Westen das iranische Atomprogramm entscheidend vorangekommen ist. Genau nach diesem Muster könnte es nun weitergehen, wie das Bündnis STOP THE BOMB in einer Presseerklärung warnt: „Sollte es Hassan Rohani gelingen, in den Atomverhandlungen weitere Zeit zu gewinnen, wird das iranische Regime bald über Atombomben verfügen.“ Dass der langjährige Khamenei-Vertraute dazu sehr viel eher das Zeug hat als sein polternder und überambitionierter Vorgänger hat Matthias Küntzel herausgestrichen: „Rohani wird mit gleicher Vehemenz wie Ahmadinejad, jedoch mit größerer Intelligenz und mit einem besserem Gespür für die Möglichkeiten, das westliche Lager auseinander zu dividieren, für die vollständige Realisierung der iranischen nuklearen Option kämpfen.“

Rohani ist, wie Jörn Schulz es ganz richtig auf den Punkt gebracht hat, „Khameneis bester Mann“. Einen ersten Eindruck, wie man in Deutschland und Österreich gedenkt mit dem Herren umzugehen, bekommt man bereits dadurch, dass über die Verbindungen Rohanis zum AMIA-Attentat zwar auf US-amerikanischen Blogs und in israelischen Zeitungen berichtet wurde, bisher aber in keiner einzigen relevanten deutschsprachigen Publikation. Die ersten Erfolge konnte das iranische Regime durch sein neues Aushängeschild bereits verbuchen: Russland fordert ebenso eine Rücknahme der ohnehin völlig unzureichenden Sanktionen wie die „Zeitung für Deutschland“. Was statt dessen geschehen müsste, und was der Ausgang der iranischen Wahlfarce für die weitere Auseinandersetzung über das iranische Nuklearprogramm und für die iranische Opposition bedeutet, darüber wird am Dienstag in Berlin und am Mittwoch, den 26. Juni bei einer international besetzten Podiumsdiskussion in der tschechischen Botschaft in Wien diskutiert werden.

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