Die Rallye Dakar, die von Rosario in Argentinien nach Valparaiso in Chile führt, soll in diesem Jahr härter und spannender werden – auch durch einen Abstecher nach Bolivien, gegen den sich aber Widerstand regt.
Eine jede Rallye Dakar braucht ihre Erzählung. Die zu finden, war zuletzt nicht einfach. 2009 die Flucht aus Afrika hinüber nach Südamerika, nach Argentinien, Chile, im vergangenen Jahr Peru – und ein paar Jahre fuhren KTM-Zweiräder, Kamaz-Lkw und Volkswagen Race Touaregs die Konkurrenz in Grund und Boden. Dann stieg der deutsche Autobauer aus und die X-Raid-Minis des BMW-Gründer-Sprösslings Sven Quandt übernahmen 2012 und 2013 das Erbe. Mehr Erzählung war nicht, ausgenommen die Toten auf und neben der Strecke, doch darüber zu berichten, ist vornehmlich was für Kritiker, die seit der ersten Etappe 1979 fluchen, dass die Geröll- und Sandpisten-Raid den Ruf des Rallyesports beschmutzt.
Aber man ist nicht untätig beim Dakar-Veranstalter Amaury Sport Organisation (ASO) – und dieses Jahr, da könnte es klappen mit einer Geschichte, die den Zuschauern mehr erzählt von der Wettfahrt als am Ende von Siegern, Zweiten, Dritten und den beklagenswert Dahingeschiedenen. Die Franzosen haben die siebte und achte Etappe für Quad und Krad nach Bolivien hineingelegt. Der Weg führt über den Salar de Uyuni, die größte Salzpfanne der Welt auf 3600 Metern Höhe. Und siehe da, das erste Kapitel der Dakar 2014 ist bereits geschrieben, nicht ganz nach Plan der Veranstalter, aber auch nicht zu verachten. Der vorläufige Titel: Revolte am Pistenrand.
Der Beginn:
Die erste Auflage fand 1978 statt und führte von Paris durch die Sahara nach Dakar. Die Idee war Gründer Thierry Sabine durch die Rallye Abidjan-Nizza gekommen, an der er teilnahm. Nach Sabines Tod 1996 bei einem Hubschrauberabsturz verkaufte sein Vater die Rechte an die Amaury Sport Organisation (ASO), die auch die Tour de France veranstaltet.
Eingeborene der Provinz Tolapampa haben kurz vor Weihnachten gedroht, den Weg nach Uyuni zu versperren, sollte die Partei von Präsident Evo Morales ihnen nicht die Regierungsgeschäfte für die Provinz überantworten. Die wird selbstredend den Teufel tun, der Forderung nachzukommen, die Drohung ist deshalb immer noch akut. Aber nicht wirklich eine Gefahr: Die ASO hat schon ganz andere politische Streitereien in Ländern, die ihr Tross querte, auf dem kurzen Dienstweg beendet. Doch so lange die PR-Maschine läuft, so lange ist der kleine politische Dissens willkommen. Er schafft die nötige Aufmerksamkeit.
Gemeldet haben 155 Autos, 196 Motorräder, 48 Quads und 76 Lkw. Gestartet wird am 5. Januar in Rosario, Argentinien. Die Strecke ist knapp 9000 Kilometer lang, davon werden an die 5000 Kilometer in Prüfung gefahren, der Rest überbrückt die einzelnen Etappen. Schluss ist am 18. Januar in Valparaiso an der chilenischen Pazifikküste. Ausgeruht wird vor den Bolivien-Etappen in Salta im Norden Argentiniens.
Harte Bedingungen
Wer dann noch imstande sein wird, den strapazierten Leib zu pflegen, ist eine Frage, die ein anderes Kapitel der 35. Auflage des früheren Wüstenklassikers füllen soll. Die ASO hat für die Königsmaschinen ihre alten Marathon-Etappen aus der Zeit reaktiviert, da sie das Rennen noch nach Dakar in den Senegal fahren ließ. Marathon-Etappe heißt für die Zweiräder (und Quads): Ohne technische Unterstützung in einem einfachen Biwak irgendwo in der Walachei nächtigen und am nächsten Tag mit dem geschundenen Material weiterfahren. Hilfe können die Topfahrer einzig von ihren Teamkollegen in Anspruch nehmen – indem diese ihnen die vielleicht weniger malträtierten Reifen abnehmen. Schrauben, biegen und fummeln aber müssen sie selbst.
Vielleicht wird es damit ja abwechslungsreicher im Kampf um die Gesamtführung als in den vergangenen Jahren. Seit 2001 ist immer eine KTM vorn und seit 2005 entweder der Franzose Cyril Despres (Sieger 2005, 2007, 2010, 2012 und 2013) oder der Spanier Marc Coma (2006, 2009, 2011). Andere Siegaspiranten sind nicht in Sicht, aber wenigstens duellieren sich diesmal zwei verschiedenen Marken. Despres ist zu Yamaha gewechselt. Und wer weiß denn schon, ob die Marathon-Etappen nicht beide zurückwerfen.
Bei den Autos braucht darauf keiner zu hoffen, gefahren wird wie immer: Morgens mit dem Hahnenschrei los, nachmittags einrollen ins Biwak, ab ins Hotel und ran mit den Mechanikern an Fahrwerk und Motor. Quandts monströses Team muss so erst einmal einer schlagen: Der Deutsche schickt elf Mini All 4 Racing ins Rennen, vier eigene Piloten, den Sieger von 2012 und 2013 Stéphane Peterhansel, den Polen Krysztof Holowczyc, den Spanier Joan Roma und den Katarer Nasser Al-Attiyah, 2011 Sieger im VW, sowie sechs Edelamateure, die das 800.000 Euro teure Gefährt von X-Raid erworben haben, darunter der Deutsche Stephan Schott.
Buggy oder Mini?
Doch die ASO war auch hier nicht untätig. Eine neuer Hegemon wie VW ist schlecht fürs Geschäft, also haben sie den Minis bei PS (320) und Federhöhe (25 Zentimeter) engere Grenzen gesetzt als den Konkurrenten wie Carlos Sainz (SMG-Buggy, Dakar-Sieger 2010), 2009-Sieger Giniel de Villiers mit dem deutschen Co-Piloten Dirk von Zitzewitz (Toyota Pickup) oder dem US-Amerikaner Robby Gordon (Hummer), die allesamt mit 400 PS und 50 Zentimetern Federweg operieren dürfen. Und damit das die deutsche Flotte auch einbremst, sind die letzten Etappen schön sandig und geröllig.
Teamchef Sven Quandt sorgt das freilich nicht, die Minis sind trotzdem Favoriten. Doch weil jede gute Erzählung ein nicht zu erratendes Ende braucht, spielt der Deutsche die eigene Stärke herunter und lässt den Ausgang der Dakar 2014 offen, wie sich das gehört: „Das Gelände dort kommt unseren Gegnern sehr entgegen. Kann gut sein, dass die besten Buggy-Fahrer dort bis zu 25 Minuten pro Tag auf unsere Mini gut machen und dass das Ergebnis kurz vor dem Ziel dann nochmals auf den Kopf gestellt wird.“