Punta del Este Werben um den schäbigen Nachbarn – FAZ

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Urlaubsziel: Punta del Este

Ein Unwetter mit Regen, orkanartigen Böen und einem heftigen Temperatursturz: Widriger hätte das neue Jahr in Punta del Este, dem Badeort an der östlichen Spitze Uruguays, nicht beginnen können. Schlechtes Vorzeichen für eine ohnehin schwierige Feriensaison im Sommer auf der Südhalbkugel. „Punta“ ist die traditionell etwas feinere Sommerfrische für Argentinier, die über die Massenquartiere im eigenen Land wie Mar del Plata die Nase rümpfen. Und die auch dort, wenn auch auf andere Weise, zur „kritischen Masse“ werden. Uruguay droht eine Katastrophe, weil viele der früher so zahlungskräftigen argentinischen Nachbarn ausbleiben könnten.

Die Regierung in Buenos Aires hat, um den Dollarschwund in der Staatskasse aufzuhalten, Beschränkungen und Kontrollen im Devisenhandel verfügt, die auf offiziellem Weg den Tausch von argentinischen Pesos in ausländische Währungen fast unmöglich machen. Ein Zuschlag von 15 Prozent auf Zahlungen mit Kreditkarten im Ausland und andere Schikanen erschweren Auslandsreisen zusätzlich. Es ist erklärtes Ziel der Regierung von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, ihre Landsleute im Land zu halten.

Die uruguayische Regierung, die Behörden, Organisationen und Unternehmen des Tourismus mussten sich einiges einfallen lassen, um trotzdem die Besucher vom anderen Ufer des Río de la Plata anzulocken. Montevideo will bis zum 30. März die Mehrwertsteuer auf touristische Leistungen - Hotelübernachtungen, Mahlzeiten in Restaurants, Autovermietung - zumindest zum Teil an Nichturuguayer zurückerstatten. Manche Hotels bieten für Argentinier 15 Prozent Ermäßigung in der Hochsaison zwischen dem 24. Dezember und dem 28. Februar. Ebenso sollen 10,5 Prozent des Mietpreises bei den an Ausländer vermieteten Ferienwohnungen nachgelassen werden. Die Erstattung gilt allerdings nur bei Zahlung mit Kredit- oder Debitkarten. Die aber wurden bislang nur selten von Argentiniern benutzt.

Als „Gastgeschenk“ ein Gutschein

Wer bis zum 30. März mit einem im Ausland registrierten Auto in Uruguay einreist, erhält als „Gastgeschenk“ einen Gutschein über 25 Dollar für Benzin sowie im Umkreis von 20 Kilometern zu den Grenzposten einen Nachlass von 28 Prozent, wenn mit Karte bezahlt wird. Ferner gibt es Vergünstigungen bei der Benutzung von Internet und Handys. An den Grenzen, an Häfen und Flughäfen, sollen mehr Stellen zur Rückerstattung der Mehrwertsteuer eingerichtet werden. Die Rückerstattung gilt nicht nur für uruguayische, sondern auch für importierte Ware wie Kleidung und Lebensmittel.

Die „Touristenwährung“ in Uruguay ist traditionell der amerikanische Dollar, doch inzwischen ist zwangsläufig der argentinische Peso fast ein gängiges Zahlungsmittel in „Punta“ geworden. Immer mehr Geschäfte nehmen ihn zu einem vergleichsweise günstigen Kurs entgegen, obwohl es nicht einfach ist, die Währung aus dem Nachbarland wieder loszuwerden. Der uruguayische Präsident José „Pepe“ Mujica beklagte sich persönlich darüber, dass sich Frau Kirchner bei Gesprächen über Erleichterungen im Devisenhandel für Touristen sehr „hartnäckig“ gezeigt habe. Uruguayische Unternehmer beschweren sich darüber, dass die von Buenos Aires verhängten Restriktionen gegen die Abkommen des Mercosur-Bündnisses verstießen.

Punta del Este, der Ferienort der Touristen-Elite mit dem höchstem Preisniveau in der gesamten Region am Río de la Plata, schien bislang gegen alle Widrigkeiten gefeit zu sein. Dort waren bis Jahresende immerhin fast alle Quartiere belegt. Die weniger begüterte, doch konsumfreudige argentinische Mittelklasse kommt üblicherweise erst in der zweiten Januarhälfte und im Februar. Für die uruguayische Wirtschaft ist sie unersetzlich, doch gerade für diesen Zeitraum ist die Belegung noch unsicher. Die uruguayischen Tourismusbehörden hatten deshalb schon vor Weihnachten begonnen, zusätzlich Feriengäste aus dem anderen Nachbarland, Brasilien, anzulocken. Während Frau Kirchner die Mittelklasse in Argentinien mit allerlei restriktiven Verfügungen maßregelt, ist in Brasilien in den vergangenen Jahren eine ganz neue Mittelklasse entstanden, deren Angehörige sich früher keinen Auslandsurlaub leisten konnten, für die aber inzwischen wegen der Stärke ihrer Währung, des Real, ein Aufenthalt jenseits der Landesgrenzen erschwinglich geworden ist. Hinderlich könnten höchstens die hohen Flugpreise der beiden brasilianischen Fluggesellschaften Gol und Tam sein, die den Markt monopolartig beherrschen.

Gelegentliche Einsicht bei den Promis

Uruguayische Hoteliers und Restaurantbetreiber versichern, dass sich die Preise in den Tourismusgebieten des Landes gegenüber dem Vorjahresniveau nicht erhöht hätten. Das klingt plausibel, weil Uruguay nur eine geringe Inflationsrate hat, während Argentinien mit einer jährlichen Inflationsrate von gefühlten 30 Prozent kämpft. Private Institute haben 25 Prozentpunkte errechnet, dürfen diesen Wert jedoch nicht veröffentlichen. Die Regierung Frau Kirchners lässt die Rate von der Statistikbehörde auf einen einstelligen Wert schönrechnen.

Zu den argentinischen Urlaubern, die den uruguayischen Ferienort Punta del Este den heimischen Badeorten an der Atlantikküste vorziehen, zählen nicht wenige Politiker und hohe Beamte aus dem Regierungslager, die ausgerechnet mit immer neuen Schikanen ihren Landsleuten die Reise ins Nachbarland zu vermiesen und sie mit Appellen zum „Urlaub daheim“ zu animieren versuchen. Einige von ihnen besitzen in „Punta“ gar pompöse Villen. Uruguay habe keinen so schäbigen Nachbarn wie Argentinien verdient, bekannte die oppositionelle argentinische Abgeordnete Elisa Carrió.

Gelegentlich kehrt bei den Promis aus Argentinien indes auch die Einsicht ein, dass sie ihren Landsleuten gegenüber ein schlechtes Beispiel abgeben. Die Tochter des argentinischen Außenministers Héctor Timerman, die zum Ende der Sommersaison in Punta del Este im März ein rauschendes, drei Tage dauerndes Hochzeitsfest feiern wollte, hat mutmaßlich auf Druck ihres Vaters das „Wedding Weekend“ reumütig ins heimische Buenos Aires verlegt. Timermans Tochter, die Beraterin im Innen- und Transportministerium ist, hatte in ihren ursprünglich versandten 300 Einladungen auch die exorbitanten Preise für die Übernachtung in dem exklusiven Quartier in „Punta“ genannt - weder in argentinischen noch uruguayischen Peso, sondern in amerikanischen Dollar.

Quelle: F.A.Z.

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Punta del Este: Werben um den schäbigen Nachbarn

Punta del Este

Werben um den schäbigen Nachbarn


Von Josef Oehrlein, Montevideo

Viele Argentinier können sich den liebgewordenen Urlaub in Punta del Este in Uruguay nicht mehr leisten. Die Regierung lässt die Inflationsrate schönrechnen.

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