Ausland
Prozess um "Plan Condor"
Zehntausende Regimekritiker sind in den 1970er- und 1980er-Jahren in Südamerika verschleppt oder getötet worden. Länderübergreifend waren die Militärregimes damals auf Menschenjagd. Im Mammutprozess um den "Plan Condor" müssen sich die noch lebenden Ex-Diktatoren nun verantworten.
Von Julio Segador, ARD-Hörfunkstudio Buenos Aires
Der Ort des Grauens war eine unscheinbare Autowerkstatt im Stadtteil Floresta in Buenos Aires. "Automotores Orletti" - was sich dahinter tatsächlich verbarg, darauf weist heute ein kleines Schild hin. "Hier funktionierte Automotores Orletti, ein geheimes Entführungs- und Folterzentrum, Schauplatz des 'Plan Condor'."
Der "Plan Condor" oder die "Operation Condor", wie dieses mysteriöse südamerikanische Staatsterrornetz genannt wird, ist bis heute eine der großen Fragen, die bei der Aufarbeitung der Diktaturen auf dem Kontinent noch nicht abschließend geklärt wurden.
Audio: Prozessbeginn gegen Ex-Militärs wegen Plan Condor
Julio Segador, ARD-Hörfunkstudio Buenos Aires
05.03.2013 13:21 | 3'39
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Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
In Folterzentren wie "Automotores Orletti" wurden ausländische Regimegegner festgehalten, gefoltert und ermordet. In der unscheinbaren KFZ-Werkstatt in Buenos Aires waren es vor allem Bürger aus Uruguay, die nach Argentinien gebracht wurden. Sergio López Burgos aus Montevideo, der sich seit Jahren für die Aufarbeitung der Diktatur in Uruguay einsetzt, besitzt argentinische Dokumente, die nahelegen, dass die Militärregimes zusammenarbeiteten: "In diesem Dokument der argentinischen Bundespolizei informiert ein Dienststellenleiter seine Vorgesetzten, dass sie 34 uruguayische Bürger entführt und gefoltert haben. Daraufhin werden 44 Offiziere befördert, weil sie an den Entführungen beteiligt waren", sagt Burgos.
[Bildunterschrift: Argentiniens früherer Diktator Videla, mittlerweile 87 Jahre alt, sitzt auf der Anklagebank. ]
Arbeiteten in den 1970er- und 1980er-Jahren die Militärdiktaturen in Argentinien, Brasilien, Chile, Uruguay, Bolivien, Paraguay und Peru zusammen? Koordinierten sie ihre Aktionen gegen die sogenannten linken, subversiven Terroristen? Mit diesen Fragen muss sich von heute an das Bundesgericht in Buenos Aires beschäftigen. Auf der Anklagebank sitzen alle noch lebenden namhaften Ex-Militärs der früheren Diktatur. Allen voran Ex-Diktator Jorge Rafael Videla und sein Nachfolger Reynaldo Bignone.
"Alle waren involviert und keiner redete"
Für die argentinische Journalistin und Autorin Stella Calloni steht außer Frage, dass die Militärdiktaturen damals zusammenarbeiteten: "Das war wie eine Schutzhülle um die Diktaturen. Sie verabredeten sich zu spionieren oder in dem einen oder anderen Land Telefone abzuhören. Sie entführten, folterten, verlagerten die Opfer von einem Ort zum anderen und sie mordeten. Und sie hatten ein Schweigeabkommen wie die Mafia. Alle waren involviert und keiner redete."
Neue Hinweise aus den USA
Und das ist auch das Problem. Es gibt keine Dokumente, in denen ausdrücklich, detailliert vom "Plan Condor" oder von der "Operation Condor" die Rede ist. Allerdings gibt es viele Hinweise darauf. Etwa in US-Dokumenten, die inzwischen zugänglich sind und dem argentinischen Menschenrechtsanwalt Rodolfo Yanzón vorliegen. "Die freigegebenen Dokumente aus dem State Department, die aus dieser Zeit stammen, geben klar Aufschluss über die Übereinkünfte, die es gab, um Oppositionelle zu verfolgen", sagt Ynazon und fährt fort: "Die Regimes, die in die Operation Condor involviert waren, tauschten wichtige Informationen aus, die sie während der Folter erhalten hatten. Und ihr Ziel war es, die Regimegegner weiter zu verfolgen und sie möglicherweise zu eliminieren."
Die Geheimdienste verfolgten linke Politiker, Priester, Gewerkschafter, Oppositionelle, Vertreter von Menschenrechtsorganisationen. Tausende sind bis heute verschwunden. Für Aufklärung könnten die angeklagten Ex-Militärs sorgen. Doch das ist unwahrscheinlich. Die meisten von ihnen, etwa Ex-Diktator Videla, sind bereits zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Reue oder gar ein Einsehen hat bis heute keiner von ihnen gezeigt.
[Bildunterschrift: Fotos von Menschen, die unter der Diktatur von Pinochet in Chile verschwunden sind. ]
- "Condor"-Verfahren gegen Pinochet eingestellt (15.09.2005).
- "Operation Condor": Terror im Namen des Staates (26.08.2004).
- Prozessbeginn gegen Ex-Militärs [J. Segador, ARD Buenos Aires].
meta.tagesschau.de
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