Der Abend mit Per Arne Glorvigen im Rittersaal des Vellberger Schlosses wird zum Gesprchskonzert. Der norwegische Bandoneonspieler erkundet im Kultursommer Bach-Chorle genauso wie Tangostcke.
Foto: Ralf Snurawa
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Der Interpret ist aus Norwegen, das Instrument wurde in Deutschland entwickelt, die Musikstcke stammen groteils aus Argentinien: Per Arne Glorvigen spielt und erlutert in Vellberg das Bandoneon.
Die "traurige Sehnsucht" des Tangos knne man in "Pedro y Pedro" von Astor Piazzolla heraushren, betont Per Arne Glorvigen in seiner Moderation nach dem Einleitungsstck. Einwanderer htten das Instrument nach Argentinien gebracht und zum Tangoinstrument schlechthin gemacht, wei er. Erfunden hat es aber ein Krefelder, nach dem es benannt ist: Hans Band. Das wird wohl vielen der fast 100 Zuhrer nicht bekannt gewesen sein.
Band habe sich das Instrument zum Spielen von Volksweisen oder auch Chorlen vorgestellt. Entsprechend lsst Glorvigen drei Bach-Chorle folgen - und man versteht, wie nah das Atmen des Instruments an dem der menschlichen Stimme ist. Auerdem habe man das Instrument zuerst anders gespielt, erlutert Glorvigen weiter und spielt, mit dem Bandoneon auf Kante bers Knie gelegt, ein Tanzstck an.
Dem stellt er drei alte Tangos, unter anderem von Julio De Caro, gegenber, die zeigen, wie das Instrument spter - und auch heute noch - gespielt wurde, wie man scharf akzentuiert, dabei mit dem Fu aufstampft, oder wundervoll weich darauf spielen kann.
Sein Instrument stamme von Alfred Arnold und sei 1929 im erzgebirgischen Carlsfeld gebaut worden, erklrt Glorvigen weiter. Er habe es in einem Antiquariat in Buenos Aires erstanden, denn bessere Bandoneons als die von Arnold gebe es bis heute nicht. Das wusste auch schon Piazzolla und schrieb deswegen seine "Tristezas de und doble A", sehr empfunden von Glorvigen interpretiert. Vor den darauf folgenden vier "lyrischen Stcken" von Edvard Grieg fhrt Glorvigen den Konzertbesuchern vor, wie die Knpfe des Bandoneons angeordnet sind: dass man einfach den Platz genutzt und nicht so sehr ans Spielen gedacht habe - und welche Schwierigkeiten dies bei der Wiedergabe von Klavierstcken auf dem Bandoneon mache.
Dass Glorvigen vor allem in der Welt des Tangos zu Hause ist, zeigt der zweite Konzertteil. Elegant wiedergegebene Umspielungen bestimmen etwa Augustin Bardis "Nunca tuvo novio", abwechslungsreiches Beleuchten der Melodie Gerardo Matos Rodriguez' "La Cumparsita" und ausdrucksstark gespielte Passagen das "Heimwehstck" "Lejania" von Sverre Indris Joner.
Hatte Glorvigen schon im ersten Teil Julio De Caro etwas in den Mittelpunkt gerckt, lsst er nun noch einen weiteren Tango von diesem Komponisten folgen: den heiter ausgelassen tndelnden "Bodeo", gefolgt von den erzhlerisch klingenden "Flores negras" von dessen Bruder Francisco und, schn locker flieend, Piazzollas De-Caro-Hommage "Decarissimo".
Musiktheater steht am Ende des Konzerts: Mauricio Kagels 1960 fr David Tudor geschriebenes "Pandoras Box". Zur Wiedergabe gehrt, dass der Instrumentenklang mit der menschlichen Stimme verschmilzt, etwa bei hohen Tnen mit Pfeiftnen, und das Stck lotet die Geruschhaftigkeit des Bandoneons vom Atmen des Blasebalgs bis zum Klappern der Knpfe aus. Und zum Schluss darf sich Glorvigen beim Spielen im Kreis drehen und sthnend innehalten.
Nach begeistert langem Beifall fragt Glorvigen, was man nach "Pandoras Box" noch spielen knne - und gibt sich selbst zur Antwort: "Eigentlich nichts." Es hlt ihn dennoch nicht von zwei Zugaben ab, darunter der herrlich versonnen gespielte zweite Satz aus Piazzollas Bandoneonkonzert.