Operieren im Dschungel

NEURUPPIN - Es war ein Zufall, der Thomas Buthut ausgerechnet in den armen Norden Argentiniens führte. „Ich hätte auch in Sibirien oder Afrika helfen können“, sagt der Chefarzt der Ruppiner Kliniken.

Der Zufall hat einen Namen: Enrico Schmidt. Der Chirurg ist Oberarzt in der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie bei Buthut, und Schmidt ist Deutsch-Argentinier. Der Oberarzt erzählte Buthut davon, dass die Leute im Nordosten Argentiniens kaum medizinisch versorgt werden. Daraufhin machte sich Buthut mit Schmidt vor drei Jahren gemeinsam ein Bild von dem Landstrich, der zwischen Paraguay und Brasilien im Dschungel liegt – mehr als 1000 Kilometer entfernt von der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires.

Seitdem fliegen die zwei Neuruppiner Ärzte einmal im Jahr für drei, vier Wochen die gut 12 000 Kilometer nach Südamerika. Thomas Buthut (54) macht sich heute wieder auf den Weg in die Provinz Misiones. Dort leben viele Ureinwohner, mehr als ein Drittel davon unter der Armutsgrenze. Um die medizinische Versorgung der Leute kümmert sich seit Jahren das Team von Otto Pigerl, dessen Eltern 1932 von Bayern nach Argentinien ausgewandert sind. Pigerl hat in der Stadt Santo Pipo ein kleines Laboratorium mit zwei OP-Sälen und acht Betten aufgebaut. Zwei seiner vier Söhne sind Mediziner. Sie helfen ihm – wie nun seit drei Jahren auch Buthut und Schmidt. Die zwei Neuruppiner entfernen vor allem kranke Gallenblasen und behandeln Leistenbrüche mit der sogenannten Schlüsselloch-Chirurgie. Diese hinterlässt kaum Narben, und die Patienten sind auch schneller wieder fit. In Deutschland ist die Methode seit Jahren Standard, in Argentinien nur in den Kliniken der großen Städte.

„Wir operieren die Leute, die sonst keiner operieren würde, weil sie keine Arbeit oder keine Versicherung haben“, sagt Buthut. Die Arbeit der Chirurgen klingt nach Alltag, doch der sieht in Santo Pipo anders aus als zu Hause in den Ruppiner Kliniken: In Neuruppin haben Buthut und sein Team pro Woche etwa 30 Operationen, am Rande des argentinischen Dschungels sind es mehr als doppelt so viele. Hinzu kommt das Klima. „Wir operieren bei 40 Grad“, sagt Buthut.

Anfangs fiel sogar immer wieder der Strom aus. „Der reichte nur für die Klimaanlage oder die Instrumente.“ Um besser helfen zu können, haben Buthut und Schmidt den Verein „Abriendo Caminos“ (in etwa: Wege öffnend) gegründet. Mit den Spenden kaufen die Ärzte vor allem Medikamente zum Sterilisieren der medizinischen Geräte.

Die deutschen Mediziner bilden bei ihren Hilfseinsätzen zugleich argentinische Kollegen in der Schlüsselloch-Chirurgie aus. Darüber hinaus unterstützen sie vor Ort die Sexualaufklärung bei Kindern und Jugendlichen sowie die Beratung von Schwangeren. „Das kommt nicht überall gut an“, sagt Thomas Buthut. Immerhin sei Argentinien ein katholisches Land, und da sind Verhütungsmittel wie Kondome und Anti-Baby-Pille umstritten.

Bis 24. November wird Buthut in Argentinien operieren. Bisher war er für die Hilfsaktion stets freigestellt. Diesmal hat die neue Klinikleitung abgelehnt. Der Chefarzt hat deshalb Urlaub genommen. „Ich kann das Projekt doch nicht einfach fallen lassen.“ (Von Andreas Vogel)

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