Buenos Aires. Das kürzlich von Argentiniens neuem Präsidenten Mauricio Macri verfügte Dekret über den "Notstand der Öffentlichen Sicherheit" gerät immer stärker in die Kritik. Das Dekret enthält verschiedene Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität und des Drogenhandels im Land. Laut der argentinischen Sicherheitsministerin Patricia Bullrich handelt es sich um eine notwendige Reaktion auf die zunehmende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.
Künftig soll beispielsweise die Kontrolle des argentinischen Luftraums verstärkt werden. Die "Regeln zum Schutz des Luftraums" erlauben den Abschuss "feindlicher" Flugzeuge. Weitere Maßnahmen sind unter anderem der Aufbau eines Einsatzkommandos zur Verstärkung des Grenzschutzes, die zeitlich lückenlose Überwachung der nördlichen Grenze mit Radartechnik, die Materialbeschaffung zur besseren Überwachung der Wasserwege und Häfen, die Aufstockung des Polizeipersonals mit pensionierten Beamten, der verbesserte Informationsaustausch zwischen Justiz und Polizei sowie der Aufbau eines zentralen Archivs zur Sammlung von Kriminalstatistikdaten. Die Maßnahmen gelten vorerst für ein Jahr.
Das Dekret ist ein dem argentinischen Präsidenten vorbehaltener Rechtsakt in Form einer Verordnung, der keiner Konsultation des Kongresses bedarf, trotzdem aber Gesetzeskraft besitzt. Gemäß der Verfassung kann dieses präsidiale Sonderrecht zur Anwendung kommen, wenn "außergewöhnliche Umstände es verunmöglichen, die ordentlichen, vorgesehenen Amtswege zum Erlass von Gesetzen zu befolgen". Macri hat seit Beginn seiner Amtszeit am 10. Dezember 2015 bereits eine große Anzahl von Dekreten verabschiedet, weshalb oppositionelle Kräfte ihm vorwerfen, undemokratisch vorzugehen. Allein an seinem zweiten Amtstag hat er 29 Dekrete erlassen. Dazu gehörten beispielsweise die Freigabe des Wechselkurses, die Neuorganisation des Wirtschaftsministeriums, die Besetzung des Obersten Gerichtshofes mit neuen Richtern oder der Steuererlass für die Agrarproduzenten.
Insbesondere die Autorisierung des Abschusses "fremder" Flugzeuge sorgt für große Entrüstung in der Öffentlichkeit. Auf Twitter kritisierten verschiedene Politiker der Linkspartei Frente de Izquierda unter dem Hashtag #leydederribo (Abschussgesetz), dass es sich dabei um eine "Todesstrafe ohne vorherigen Gerichtsprozess" handeln würde und unschuldige Opfer getroffen werden könnten. Augustín Rossi, Ex-Verteidigungsminister Argentiniens, bemängelt hingegen den fehlenden demokratischen Prozess: "Es ist eine Frechheit, so etwas ohne Debatte und ohne gesetzliche Grundlage des Kongresses zu dekretieren". Zudem warnt Rossi davor, für Probleme der inneren Sicherheit die Luftwaffe beizuziehen. Dies sei ein gewaltiger Rückschritt in der Geschichte Argentiniens. Ähnlicher Meinung ist auch Margarita Stolbizer, die Vorsitzende der Mitte-links-Partei Generación para un Encuentro Nacional: "Die Staatspolitik betreffend Sicherheit und gegen den Drogenkrieg sollte nicht per Dekret beschlossen werden". Adolfo Pérez Esquivel, argentinischer Friedensnobelpreisträger bezeichnet die Einmischung des Militärs in innenpolitische Angelegenheiten als "Totalitarismus mit einem neoliberalen Reorganisationsprojekt".
Ministerin Bullrich reagierte indes bei einer Pressekonferenz auf die Vorwürfe. Sie versicherte, dass die oberste Priorität der verordneten Maßnahmen dem Kampf gegen den Drogenhandel gelte. Die verstärkte Kontrolle des Luftraums sei eine Notwendigkeit, da es in Argentinien jährlich 400 illegale Flüge von Verbrechern und Drogenhändlern gebe. Der Abschuss eines Flugzeuges sei das letzte Mittel und würde nur in Ausnahmefällen angewendet. Weiter hat die Regierung darauf hingewiesen, dass das Abschussgesetz einem internationalen Standard entspreche und von der Vorgängerregierung bei speziellen Anlässen wie dem Iberoamerikanischen Gipfel 2010 in Mar del Plata ebenfalls angeordnet wurde. Schließlich sagte sie zu, in der Sitzungsrunde des Kongresses ab dem 1. März 2016 eine Debatte über das Dekret zu führen.
Der Drogenhandel und die damit verbundene Kriminalität haben in Argentinien seit 2008 stark zugenommen. Die international agierenden Drogenkartelle haben das Land in den vergangenen Jahren als neue Destination entdeckt. Die argentinischen Banden agieren innerhalb dieses Systems hauptsächlich als Geldwäscher und Zwischenstationen für den Handel. Der Kampf gegen den Drogenhandel war eines der wichtigsten Wahlversprechen von Macri.