Missionar auf Zeit in Tegernsee: Ein Argentinier im Quirinal

Juan Pablo Grismeyer gießt heißes Wasser aus seiner Thermoskanne in den Becher mit frischen Kräutern. Es dampft, dann durchströmt ein exotischer Geruch das Pfarrhaus in Tegernsee. Mate-Tee, eine Spezialität aus Argentinien, Grismeyers Heimat. „Der ist sehr stark“, sagt Grismeyer. Es klingt wie eine Warnung. „Wie das bayerische Bier“, fügt er hinzu und lacht. Und das hat ihm geschmeckt, als er mit Monsignore Walter Waldschütz zum ersten Mal im Bräustüberl war.

Seit gut einer Woche wohnt Grismeyer nun im Pfarrhaus im Quirinal in Tegernsee. Der 18-Jährige aus Puerto Rico, eine Kleinstadt in der argentinischen Provinz Misiones, ist ein Missionar auf Zeit (MAZ). Der erste Jugendliche überhaupt, der aus Argentinien für diesen Freiwilligendienst nach Tegernsee gekommen ist. „Die meisten Familien dort sind arm, sie können sich den Flug nicht leisten“, erklärt Waldschütz. Umso mehr freut es den Monsignore, dass Grismeyer jetzt im Pfarrhaus lebt. Drei Monate lang wird der 18-Jährige Student und angehende Elektroingenieur hier Deutsch üben, Land und Leute kennenlernen und kleinere Projekte in der pastoralen Arbeit übernehmen.

„Mister Walter ist wie ein Padre für mich, aber auch ein strenger Lehrer“, sagt Grismeyer und schmunzelt. „Mit ihm muss ich immer Deutsch reden.“ Gott sei Dank gibt es da noch Pastoralreferntin Maria Thanbichler. Sie spricht Spanisch, hat selbst ein Jahr lang als freiwillige Helferin in Mexiko verbracht. Sie hilft, falls es doch mal ausbeißt mit der Verständigung. Und sie übt Bairisch mit dem jungen Gast aus Südamerika: „Griasdi, Pfiadi und die Schafkopfkarten beherrscht er schon“, sagt Thanbichler und lacht.

Mehr als 200 junge Leute aus dem Landkreis hat Waldschütz als Missionare nach Puerto Rico geschickt, seit er 1991 selbst zum ersten Mal mit der Kolpingsfamilie vor Ort war. 12.000 Kilometer Luftlinie von seiner oberbayerischen Heimat entfernt hat er mit seinem Team in dieser Zeit vier Kinderhäuser und ein Jugendhaus aufgebaut. Seit 2010 gibt es die Pfarrer Walter Waldschütz-Stiftung, die die Hilfsarbeit dauerhaft in Misiones etablieren soll.

Für seinen ersten argentinischen Mitbewohner überhaupt hat sich der Monsignore ein buntes Programm überlegt. „Wir sind schon mit dem Boot auf dem Tegernsee gefahren und haben einen Ausflug an den Chiemsee gemacht“, erzählt Grismeyer. Auch München, Salzburg, Berlin und sogar Italien will er sich noch anschauen. „Aber das geht hier leicht, weil alles so nah beieinander liegt.“ Kein Vergleich zu seiner Heimat, wo es mehrere Autostunden dauern kann, bis man die nächstgrößere Stadt erreicht. Und das ist nicht der einzige Unterschied zwischen Puerto Rico und Tegernsee, den Grismeyer in seiner ersten Woche im Pfarrhaus entdeckt hat. „Er war auch überrascht, wie kurz die Gottesdienste sind“, erzählt Waldschütz. In Argentinien könne die heilige Messe gut und gerne zwei Stunden dauern. Zwei Mal hat Grismeyer den Monsignore bereits als Ministrant unterstützt.

Bei aller Umstellung: Ein Kulturschock hat Grismeyer nicht ereilt. Eher ein Temperaturschock. In Misiones ist es das ganze Jahr über tropisch heiß, da muss man sich an den bayerischen Herbst erst mal gewöhnen. Die erste Erkältung hat sich Grismeyer auch gleich eingefangen. Begeistert ist der junge Missionar aber von den warmherzigen Menschen: „Ich bin überrascht, wie freundlich alle zu mir sind“, sagt er. Monsignore Waldschütz geht es nicht anders: „Es ist schön zu sehen, wie sich die Leute über unseren Gast im Pfarrhaus freuen.“ So seien die Damen vom Frauenbund ganz angetan von dem „feschen jungen Mann“ gewesen.

Erst nach Weihnachten wird Grismeyer wieder nach Hause fliegen – dann sogar als deutscher Staatsbürger. „Juan Pablo hat deutsche Wurzeln, jetzt haben wir einen Pass für ihn beantragt“, erklärt Waldschütz. „In zwei Wochen ist er fertig“, sagt Grismeyer stolz. Dann schenkt er nochmal Mate-Tee nach. „Das hilft gegen Husten.“ Und gegen Heimweh nach Puerto Rico.

Sebastian Grauvogl

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