Die Umweltkatastrophe an der Jagst und der eigene Hauskauf: Der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner (Bndnis 90/Die Grnen) aus Kirchberg antwortet im groen Sommerinterview auf unsere Fragen.
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"Landwirte, die auf kologische Produktion setzen, wirtschaften seit Jahrzehnten erfolgreich ohne Glyphosat und andere Pestizide. Es braucht ein Umdenken hin zu einer ausgewogeneren Ernhrung. Wir brauchen nicht dieses berma an Fleischkonsum", sagt der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner im groen Sommerinterview. Privatfoto
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Umweltkatastrophe an der Jagst mitten in Ihrer Heimat - wann waren Sie vor Ort?
HARALD EBNER: Am Sonntagmorgen nach dem Brand waren wir mit dem Rad rund ums Jagsttal unterwegs. In Mistlau sahen wir das ganze Desaster. Tausende tote Fische am Ufer und im Wasser. Eine gespenstische Szene. Es war auf mehreren Kilometern Lnge alles tot, auch Steinkrebse, Muscheln, das ganze kosystem geschdigt, die Nahrungsketten unterbrochen, genetische Ressourcen vernichtet. Beeindruckend war, wie viele Menschen spontan freiwillig mit angepackt und die toten Tiere aus dem Fluss geholt haben. Deshalb gebhrt all den Helferinnen und Helfern, die tagelang oder auch nur stundenweise engagiert waren, unser groer Dank.
Wie geht es nun weiter?
Das auerordentlich wertvolle kosystem wieder zu beleben, ist eine groe Herausforderung, die auf jeden Fall wissenschaftlich begleitet werden muss.
Was sind Konsequenzen aus der Katastrophe?
Gefahrstoffe gehren nicht an Flsse. Dass wir alles technisch beherrschen knnen, ist eine Illusion. Bestehende Lager mssen auf Genehmigung und Bauausfhrung berprft werden. Notfallplne mssen erstellt und gebt werden. Und unsere Flsse brauchen mehr Nebenbiotope.
Sommerpause: Wie erholen Sie sich vom Politstress oder arbeiten Sie einfach weiter?
Im Juli war ich auf Veranstaltungstour im Land unterwegs, im August gab es ein paar freie Tage. Die grne Wahlkreis-Radtour ging diesmal in die Wanderung mit Ministerprsident Winfried Kretschmann ber. Daheim in Kirchberg habe ich Dach und Wnde unseres Gartenschuppens erneuert. In dem alten Haus, das ich mit meiner Frau zusammen gekauft habe, haben wir mit der Bauerkundung begonnen.
Wo?
In der Kirchberger Altstadt. Den dazugehrigen Garten nutzen wir schon lnger. Das Haus ist rund 300 Jahre alt. Wir haben Putz weggeklopft, Fachwerk freigelegt, fast eine Tonne Schutt weggerumt, um zu sehen, wie gut die Substanz ist. Ich arbeite gerne krperlich, das ist ein schner Ausgleich zu den vielen Sitzungen.
Fahren Sie noch in Urlaub, wieder zum Segeln auf der Ostsee?
Nein, wir haben unsere "Urlaubsreise" bereits im April unternommen.
Wo waren Sie?
In Argentinien. Ich wollte mir zu den Themen Gentechnik, Glyphosat und Sojaanbau selbst ein Bild vor Ort machen.
Welchen Eindruck haben Sie gewonnen?
Es war noch schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Wir haben Indio-Gemeinden im Nordwesten besucht. Die Ureinwohner, die dort im Trockenbuschwald leben, verlieren durch Abholzung ihren Lebensraum. Der Staat hat die Flchen schon vor Jahren ohne Wissen der Bewohner verkauft. Nun wird der Wald, teils legal, teils illegal, abgeholzt und dort glyphosatresistentes Gentechnik-Soja angebaut. Dabei wird das Pflanzengift Glyphosat in massivem Umfang eingesetzt. Der Stoff gelangt ins Oberflchenwasser, das die Indios als Trinkwasser nutzen. Ihnen bleibt nur die Flucht in die Stdte, wo sie in der Regel in den Slumvierteln landen und verelenden.
Ist Glyphosat giftig?
Glyphosat gilt bei vielen noch heute als vergleichsweise ungefhrlich. Es ist mittlerweile aber nahezu berall drin, auch hier bei uns, in Getreide, in Brtchen. In den Sojaanbaugebieten Argentiniens hufen sich Missbildungen bei Neugeborenen und bestimmte Krebserkrankungen. Die Internationale Agentur fr Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Glyphosat im Mrz 2015 als "wahrscheinlich krebserregend fr den Menschen" eingestuft.
Wie wollen Sie den Indios helfen?
Es geht darum, hier die ffentlichkeit zu informieren, zu sensibilisieren, aber auch vor Ort die Organisationen zu untersttzen, die den Indios helfen, ihre Rechte einzufordern.
Wie funktioniert das Agrarsystem ohne Glyphosat?
Der bloe Ersatz eines Gifts durch ein anderes kann keine Lsung sein. Landwirte, die auf kologische Produktion setzen, wirtschaften seit Jahrzehnten erfolgreich ohne Glyphosat und andere Pestizide. Es braucht ein Umdenken hin zu einer ausgewogeneren Ernhrung. Wir brauchen nicht dieses berma an Fleischkonsum. 32 Millionen Tonnen Soja, das entspricht einem erheblichen Teil der Jahresernte Argentiniens, werden fr eine weitgehend flchenungebundene, intensive Fleischproduktion nach Europa importiert. Wir haben hier mit unserer Konsum- und Wirtschaftsweise auch Einfluss darauf, was in Argentinien passiert. Auch die Landwirte im Landkreis Schwbisch Hall bruchten diese sogenannten Helfer wie Glyphosat nicht. Der Verbraucher kann durch entsprechendes Einkaufsverhalten steuern, wie die Landschaft um ihn herum aussieht. Wer koware kauft, untersttzt glyphosatfreie Landwirtschaft.
Zufrieden, unzufrieden: Wie fllt Ihre politische Zwischenbilanz 2015 aus?
Die Zulassung fr Glyphosat luft Ende 2015 aus. Derzeit luft ein Wiederzulassungsverfahren. Ich schaue da kritisch drauf und habe erreicht, dass es Ende September dazu im Bundestag eine ffentliche Anhrung geben wird. Deutschland ist Berichterstatterstaat zu dem Thema. Im Bericht der Bundesregierung wurde Glyphosat vorab als ungefhrlich eingestuft, womit ich nicht zufrieden bin. Ich bin aber froh, dass ich das wichtige Thema in die ffentliche Diskussion bringen konnte. hnlich ist das mit den Themen Freihandelsabkommen TTIP und Gentechnik. Bei der Gentechnik sind die Bundeslnder meiner Linie gefolgt, bundesweit einheitliche Verbote zu fordern. Nur die knnen unsere Gentechnikfreiheit auf Dauer sichern. Nachdem Minister Schmidt es nicht geschafft hat, ein entsprechendes Gesetz auf den Weg zu bringen, werden das jetzt die Lnder ber den Bundesrat machen.
Womit sind Sie unzufrieden?
Wir brauchen dringend ein vernnftiges Zuwanderungsgesetz. Denn wir bentigen auch eine Perspektive fr diejenigen, die nicht aus Asylgrnden zu uns kommen. Unsere Firmen brauchen Fachkrfte, das wird sich durch die demografische Entwicklung weiter verschrfen. Zuwanderung ist fr unsere Altersvorsorge wichtig. Das kann auch eine Perspektive fr den Erhalt von Strukturen im lndlichen Raum sein.
Welches groe Ziel mchten Sie fr Ihren Wahlkreis demnchst erreichen?
Dass wir den Umgang mit den vielen hier ankommenden Menschen aus Krisengebieten, die bei uns Schutz vor Krieg, Unterdrckung und Verfolgung suchen, menschenwrdig und zum Wohle aller gut hinbekommen.
Und persnlich?
Im privaten Bereich steht die Altbaurenovierung an. Wir wollen das Haus optisch aufwerten und gleichzeitig im Innern modernisieren - mit Rcksicht auf die alte Bausubstanz. Das ist ein Mosaikstein, um die schne Altstadt Kirchbergs weiterzuentwickeln.
Zur Person
Harald Ebner ist am 8. Juli 1964 in Gppingen geboren. Heute wohnt Ebner in Kirchberg an der Jagst. Er ist verheiratet, hat zwei Tchter und zwei Enkelkinder. Durch den Zivildienst kam er 1984 nach Hohenlohe, in die sozialtherapeutischen Gemeinschaften Weckelweiler im Brettachtal. Harald Ebner studierte von 1986 bis 1992 Agrarwissenschaften an der Universitt Hohenheim. Der Diplom-Agraringenieur arbeitete als Landschaftskologe in der staatlichen Naturschutzverwaltung des Landes Baden-Wrttemberg. Ebner ist seit 1999 Mitglied der Unabhngigen Grnen Liste Kirchberg/Jagst und seit 2008 Kreisvorsitzender von Bndnis 90/Die Grnen Schwbisch Hall. Er ist Mitglied im Landesvorstand von Bndnis 90/Die Grnen Baden-Wrttemberg und Sprecher der baden-wrttembergischen Landesgruppe der Grnen im Bundestag. Harald Ebner kam 2011 als Nachrcker in den Bundestag und wurde 2013 wiedergewhlt. Er ist Obmann und Mitglied im Ausschuss fr Ernhrung und Landwirtschaft und stellvertretendes Mitglied in den Ausschssen fr Bildung, Forschung und Technikfolgeabschtzung und fr Verkehr und digitale Infrastruktur. Zudem sitzt Ebner im parlamentarischen Beirat fr nachhaltige Entwicklung.
CUS