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Eigentlich wissen wir Argentinier wenig anzufangen mit der Monarchie. Wenn Máxima Zorreguieta jetzt Königin der Niederlande wird, könnte uns das dennoch stolz machen, denn wir brüsten uns gern mit berühmten Landsleuten. Aber Máximas Biografie macht uns das Jubeln schwer.
Der neue Papst ist Argentinier - was andere Argentinier machen, ist deshalb im Moment kaum interessant. Doch die Krönung Máxima Zorreguietas zur Königin der Niederlande wird sich gegen diese Konkurrenz behaupten können.
Argentinien ist ein Land ohne jede monarchische Tradition. Anfang des 19. Jahrhunderts haben wir uns von der spanischen Monarchie, die damals über uns herrschte, für immer befreit. Im Jahr 1813 beschloss die argentinische Nationalversammlung die Aufhebung sämtlicher Adelstitel. In politischer oder institutioneller Hinsicht erweckt deshalb die Tatsache, dass eine unserer Landsleute Königin wird, keine allzu großen Erwartungen. Wir haben gar keine rechte Vorstellung davon, was ein Vertreter der Monarchie heutzutage eigentlich macht, welche Verantwortlichkeiten ihm im Einzelnen zufallen.
Für einen cholulo hingegen ist die Tatsache, dass die in Argentinien geborene Máxima Zorreguieta Königin der Niederlande wird, durchaus von großem Interesse. Zur Erklärung: Für einen cholulo gibt es nichts Wichtigeres als das, was mit dem von ihm verehrten berühmten Zeitgenossen zu tun hat, vor allem mit denen, die im Fernsehen zu sehen sind. Er weiß genau über deren Privatleben Bescheid, liest, um auch ja auf dem Laufenden zu sein, die entsprechenden Klatschblätter, und er steht stundenlang am Ausgang eines Theaters, nur um ein Autogramm zu ergattern. In dieser Hinsicht also könnte die Krönung Máxima Zorreguietas in unserem Land ein gewisses Interesse hervorrufen.
Außerdem brüsten wir Argentinier uns gern mit unseren Landsleuten, vor allem, wenn sie nicht in Argentinien leben. Wir jubeln begeistert, wenn Messi ein Tor für den FC Barcelona schießt. Wir sind ergriffen, wenn Bérénice Bejo, die in dem Stummfilm "The Artist" die weibliche Hauptrolle spielt, für einen Oscar nominiert wird - auch wenn diese Schauspielerin nur bis zu ihrem dritten Lebensjahr in Argentinien gewohnt hat, sich heute als Französin bezeichnet und wir vor ihrem großen Erfolg nie von ihr gehört hatten. Sobald jemand die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zieht, sobald Zeitungen, Illustrierte oder das Fernsehen ihm oder ihr Platz einräumen, machen wir uns triumphierend die Tatsache zu eigen, dass er oder sie die gleiche Nationalität besitzt wie wir.
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Eine Biografie, die das Jubeln schwer macht
Doch obwohl es Máxima wie im Märchen zu ergehen scheint - von der Bürgerlichen zur Königin -, hat ihre Geschichte Besonderheiten, die den Argentiniern das Jubeln schwermachen. Bevor ich mich an die Niederschrift dieses Textes machte, hatte ich eine ungefähre Vorstellung, was die Geschichte Máximas für uns bedeuten könnte. Doch dann erschien es mir anmaßend, so zu tun, als könnte ich einfach so sagen, was "die Argentinier" davon halten, ohne sie selbst in irgendeiner Weise befragt zu haben.
Heute, wo die sozialen Netzwerke sich immer mehr ausbreiten, gibt es für solche Fälle eine einfache Lösung. Der neuesten Umfrage zufolge sind inzwischen mehr als die Hälfte der Argentinier Facebook-Nutzer. Also stellte ich auf meiner Facebook-Seite folgende Frage: "Ich muss für eine ausländische Zeitung einen Artikel über die künftige niederländische Königin Máxima Zorreguieta schreiben. Finden Sie es etwas Besonderes, dass eine Argentinierin Königin wird? Macht Sie das stolz? Ist es Ihnen egal? Stört es Sie?"
Die erste Überraschung war, dass innerhalb von 24 Stunden mehr als 800 Antworten eintrafen, so viele wie noch nie auf meiner Facebook-Seite. Ein Großteil der Kommentare wies die Idee der Monarchie an sich empört zurück, zeigte sich verärgert, dass Máxima die argentinische Staatsbürgerschaft abgegeben hatte, um Königin werden zu können, oder drückte Missfallen darüber aus, dass sie einer begüterten Gesellschaftsschicht entstammt, die ihre Kinder auf teure Privatschulen schickt, an denen im Fall von Máxima noch nach Geschlechtern getrennt unterrichtet wurde. Worüber die Kommentatoren sich jedoch am meisten aufregten, war die Tatsache, dass der Vater der künftigen Königin während der letzten Militärdiktatur Landwirtschaftsminister war. Nur wenige sagten, man dürfe Kindern nicht für die Schuld ihrer Eltern zur Verantwortung ziehen.
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