Macri übernimmt von Kirchner Präsidentenamt in Argentinien

Gestern hat sich Argentiniens linke Staatschefin Kirchner noch einmal vor Zehntausenden bejubeln lassen. Heute beginnt eine neue politische Ära: Der Konservative Macri übernimmt das Präsidentenamt. Kritiker befürchten einen Rückfall in neoliberale Zeiten.

Von Julio Segador, ARD-Hörfunkkorrespondent Buenos Aires

Pablo Menéndez startet seinen Wagen und macht das, was er in den vergangenen 23 Jahren gemacht hat: Taxifahren durch Buenos Aires. In dieser Zeit hat er acht verschiedene Präsidenten erlebt, die letzten acht Jahre Cristina Kirchner. Nun übernimmt Mauricio Macri das Ruder in Argentinien. Pablo weiß nicht so recht, was er davon halten soll. "Nach so vielen Präsidenten hier in Argentinien habe ich keine große Hoffnung, dass es konkreten und sichtbaren Fortschritt im Land gibt. Vor allem nicht für jene, die es am nötigsten haben und die im System ganz unten sind. Die ärmeren Menschen im Land."

Wo sind die 14 Kilometer U-Bahn?


Mauricio Macri | Bildquelle: REUTERS

Hat versprochen, vieles anders zu machen: Der künftige Präsident Macri.


Vielen geht es so wie Taxifahrer Pablo. Nach zwölf Jahren linksgerichteter Politik der Kirchners hat der liberal-konservative Politiker Macri die Wahl mit dem Versprechen des Wechsels gewonnen. Angesichts einer tiefen Rezession, einer hohen Inflation und einer Währung, die buchstäblich tagtäglich an Wert verliert, konnte Macri viele Wähler für sich gewinnen.

Pablo aber ist skeptisch. "Unser neuer Präsident hat, bevor er als Bürgermeister in Buenos Aires antrat, uns 14 Kilometer neue U-Bahn-Strecken versprochen. Am Ende wurden keine 50 Meter gebaut. Jetzt hat er eine Millionen neue Wohnungen versprochen. Wir sollten uns in vier Jahren erneut treffen um nachzuprüfen, ob überhaupt 10.000 Wohnungen gebaut wurden."

Arroganz mit der Mehrheit im Rücken

Im Microcentro in Buenos Aires, dort, wo die Wirtschaftsleute sitzen, die Banker, Analysten und Broker, dort setzen sie dagegen auf den 56-jährigen Macri. Sie hoffen, dass es vorbei ist mit Korruption, mit außenpolitischer Isolation, mit einer Selbstsicherheit der Präsidentin, die für viele nichts anderes ist als Selbstherrlichkeit.

"Ich hoffe auf mehr Transparenz", sagt ein Mann. Der Staat müsse besser erklären, weshalb er eine bestimmte Politik mache. "Man muss die Dinge nachvollziehen können. Es geht ja um das Geld des Staates, also um unser Geld." Ein anderer Mann aus dem Microcentro fügt an: "Für mich muss das Auftreten der Regierung anders werden. Cristina hatte die Mehrheit, entsprechend arrogant ist sie aufgetreten."

Am Abend vor der Vereidigung ihres Nachfolgers tritt sie noch einmal ein letztes Mal als Präsidentin auf. Vor über 100.000 Anhängern auf der Plaza de Mayo, dem Platz der Mairevolution. Gewohnt kämpferisch, so wie ihre Anhänger sie lieben.


Cristina Kirchner bei ihrer letzten große Rede als Präsidentin | Bildquelle: REUTERS

Ein Bild, das die Argentiener seit Jahren kennen: Cristina Kirchner während einer Rede vor dem Präsidentenpalast Casa Rosada...


Cristina Kirchner bei ihrer letzten große Rede als Präsidentin | Bildquelle: AP

... Doch diese Rede war ihre letzte als Präsidentin. Verfolgt wurde sie von Zehntausenden ihrer Anhänger auf dem Platz davor, der Plaza de Mayo.

Wer für Kirchner ist, ist gegen Macri

"Für uns tritt sie durch das große Tor ab", sagt eine Frau. "Ich habe ihr die besten Jahre meines Lebens zu verdanken." Die Gleichung ist einfach: Wer für Kirchner ist, ist gegen Macri: Dieser Mann glaubt, dass nun wieder schlechtere Zeiten anbrechen. "Ich erwarte sehr wenig von ihm", sagt ein Mann. "Ich hab das schon durchgemacht. Ich bin jetzt 62 Jahre alt. 2001 verlor ich meine Arbeit. 2003, als die Kirchners kamen, bekam ich wieder einen Job."

Mauricio Macri hat angekündigt, vieles anders zu machen als Cristina Kirchner. Er setzt in seinem Kabinett auf Wirtschaftsfachleute, Banker, Unternehmensführer. Ein deutlicher Wink an die Märkte. Kritiker sprechen von einem Rückfall in neoliberale Zeiten, die Argentinien 2001 in die Pleite führten.

Taxifahrer Pablo will daran lieber nicht denken. "Ich hoffe, sie haben gelernt, statt nur Zahlen zu interpretieren, dass es sich um Menschen handelt. Sie sollten die Hoffnung jener nicht enttäuschen, die für ihre Kinder sorgen wollen, und eine würdige Arbeit brauchen, um jeden Tag etwas auf den Teller zu bringen."

Stabwechsel im argentinischen Präsidentenamt
J. Segador, ARD Buenos Aires
10.12.2015 03:46 Uhr


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