Barcelona/FIN. Jorge Messi, ein Fabrikarbeiter aus Rosairo, Argentinien, war genervt. Sein Sohn hatte kurz zuvor ein Probetraining beim FC Barcelona absolviert. Der Dreizehnjährige hatte imponiert, nun saßen Vater, Sohn, zwei Spielervermittler und Carles Rexach, der technische Direktor der Katalanen endlich im „Pompeia Tennis Club“ an einem Tisch zusammen. Doch Meinungsverschiedenheiten drohten an diesem Dezember-Tag alle Träume zu zerstören.
Messi senior war sauer, denn es lag kein Vertragsentwurf auf dem Tisch. Dann griff Rexach zu einer Serviette. Acht Zeilen und drei Unterschriften später nahm die unglaubliche Karriere von Lionel Messi ihren kuriosen Anfang.
Es war der 14. Dezember 2000. Damals ahnte niemand, dass aus dem unter Wachstumsstörungen leidenden Teenager der weltbeste Fußballer der Gegenwart werden sollte. Von den in Klubkreisen einst umstrittenen Behandlungskosten in Höhe von 900 Dollar pro Monat ist auch längst keine Rede mehr. Im Gegenteil: Zwölf Jahre später sorgt Lionel Messi nur noch mit Rekorden, Titeln und Auszeichnungen für Aufsehen.
Schupferln, Tore, Rekorde
Seit Sonntag sind Messis Errungenschaften auch um einen „Weltrekord“ reicher. Der 1,69 Meter große Argentinier erzielte gegen Real Betis zwei Tore und verbesserte damit die seit 1972 von Gerd Müller gehaltene Bestmarke von 85 Toren in einem Kalenderjahr um einen Treffer. Müller, der ehemalige Bayern-Stürmer, gratulierte. „Ich freue mich sehr für Messi. Er ist der beste Spieler der Welt, und es macht einfach Spaß, ihm zuzusehen“, sagte der 67-Jährige der „Welt“. „Mir persönlich bedeuten Rekorde nicht viel, aber wenn es jemand verdient hat, mich zu überholen, dann Messi.“
Für den Argentinier, der bis zum Jahresende noch drei weitere Pflichtspiele bestreiten muss, ist es wohl nur eine weitere Statistik, die er nun anführt. Nach fünf gewonnenen Meisterschaften in der Primera Division, zwei Triumphen in der Copa del Rey, fünf Super-Cup-Erfolgen, drei Champions-League-, zwei Klub-WM-Siegen und Olympiagold (2008) kommen auch seinen Fans die Superlativen abhanden. Auch führt an Messi bei der Wahl zum Weltfußballer abermals kein Weg vorbei.
So genial Messi auf dem Fußballplatz auch agiert, er Gegner narrt und Torhüter mit Schupferln oder Schüssen verzweifeln lässt, abseits der Stadionflutlichter ist von ihm kaum etwas bekannt. Die Öffentlichkeit lässt er an seinem Privatleben einfach nicht teilhaben. Dann gleicht Argentiniens berühmtester „Floh“ einem Geist.
„Ich spiele keine Rolle“
Er fährt einen weißen Audi R8, in den passen seine Lebenspartnerin Antonella und ihr am 2. November geborener Sohn Thiago. Mehr ist über Lionel Messi nicht bekannt. In Interviews wirkt er verschlossen, spricht nur Spanisch, bei ihm dreht sich alles vorwiegend um den Fußball. Skandale, die andere Fußballer begleiten, sind ihm fremd. „Man soll mich als guten Menschen in Erinnerung behalten“, sagte Messi im vergangenen Oktober zur „El País“. „Das ist mir wichtiger als der Nimbus des besten Fußballers der Welt.“
Auch von Huldigungen als „Außerirdischer“, „Picasso des Fußballs“ oder dem „Messias“ hält der Argentinier nicht viel. Er lobt unentwegt seine Mitspieler, das Team. „Ich bin einfach so, wie ich bin, sowohl auf dem Platz als auch außerhalb. Ich spiele keine Rolle.“
Dieser „Gutmensch-Teamgeist“ hat allerdings seinen Preis. Als Einstiegsgehalt erhielt Messi vor zwölf Jahren 600 Euro. Kürzlich wurde der Vertrag bis 2016 verlängert, pro Jahr verdient er 12,5 Millionen Euro. Und, damit Abwerbungsversuche von Manchester City sein Gemüt nicht weiter trüben, wurde die Ablösesumme auf 250 Millionen Euro festgesetzt. Er ist unverkäuflich – ebenso wie die berühmte Serviette. Sie wird im Camp Nou aber nicht zur Schau gestellt, sondern ohne größeres Aufsehen in einem Safe verwahrt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2012)