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Der neue Präsident des südamerikanischen Landes will endlich den Streit mit den US-Fonds beilegen. Und überhaupt vieles ändern.
Zwei Monate ist Argentiniens Präsident Mauricio Macri jetzt im Amt, zu kurze Zeit für eine Zwischenbilanz. Dafür gilt in der Regel eine Schonfrist von 100 Tagen. Andererseits erweckt Macri nicht den Eindruck, als halte er viel von den üblichen Fristen. In atemberaubendem Tempo baut er das durch zwölf Jahre "Kirchnerismus" geprägte Land um: Nach sieben Tagen liberalisierte er den Devisenmarkt. Nach knapp 30 Tagen hatte er Zehntausende Stellen im öffentlichen Dienst gekappt. Nach etwa 50 Tagen strich er die Subventionen für Strom und Gas. Und nun, nach knapp 60 Tagen, bietet Argentinien internationalen Hedgefonds 6,5 Milliarden Dollar, um einen jahrelangen Schuldenstreit beizulegen. Niemand wird Macri vorhalten können, er habe den Start verschlafen.
Der kompromisslose Kleinkrieg mit den "Geierfonds" an der Wall Street gehörte bisher praktisch zur nationalen Identität. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas hatte sich den Spielregeln des globalen Finanzkapitalismus widersetzt und nahm auch in Kauf, an den Börsen als Aussätziger behandelt zu werden. Zu Macris Wahlkampfversprechen gehörte es, wieder nach internationalem Regelwerk zu spielen. Was nicht heißen muss, dass diese Regeln unumstritten wären.
Er hat viel versprochen, doch die sozialen Unruhen im Staat könnten sich noch verstärken
Der Schuldenstreit geht auf die argentinische Staatspleite von Ende 2001 zurück, als Hedgefonds aus aller Welt Staatsanleihen zu Spottpreisen kauften. Über 93 Prozent der Gläubiger akzeptierten 2010 einen Schuldenschnitt. Bloß eine kleine Gruppe, angeführt vom US-Milliardär Paul Singer, widersetzte sich und forderte eine Rendite von bis zu 1800 Prozent. Diesen von der Regierung Kirchner stets als "Aasgeier" betitelten Fonds bietet Macri nun 6,5 Milliarden an. Das ist deutlich mehr, als die Spekulanten um Singer ursprünglich investiert hatten, aber immer noch deutlich weniger als jene neun Milliarden, die sie gerichtlich zurückfordern. Der Fall wird vor einem Bezirksgericht in New York verhandelt, weil die Papiere einst unter US-Recht ausgegeben wurden.
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Christina Kirchner hatte stets betont, alle Schulden begleichen zu wollen, allerdings zu fairen Bedingungen. Der US-Richter Thomas Griesa urteilte 2014, dass Argentinien zunächst die Forderungen der Gläubiger bedienen müsse, bevor es weitere Umschuldungsprogramme auflegen dürfe. Weil Kirchner dickköpfig blieb, rutschte ihr Land in eine sogenannte "technische Zahlungsunfähigkeit". Sie hätte bezahlen können, bezahlte aber nicht.
Macri will nun schnellstmöglich zahlen. Ein von Griesa eingesetzter Vermittler sprach am Wochenende von einem "historischen Fortschritt". Noch ist aber nicht klar, ob die betreffenden Investoren die Offerte überhaupt geschlossen annehmen, bei der sie auf 25 Prozent ihrer Forderungen verzichten müssten. Zwei der wichtigsten Hedgefonds, Aurelius Capital und NML Capital aus dem Singer-Imperium, halten sich bedeckt. Auch Richter Griesa hat noch nicht zugestimmt. Außerdem müsste Macris Initiative in Buenos Aires abgesegnet werden, was angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Parlament und der Stimmungslage im Land Spannung verspricht.
Was Macri bisher nicht erfüllt hat, ist sein Versprechen, ein Präsident des Dialogs zu sein. Er regiert größtenteils mit Notstandsdekreten. Die Massenentlassungen im öffentlichen Sektor rechtfertigte er mit dem Verweis, dass es sich dabei ausschließlich um "Ñoquis" aus der Kirchner-Ära handle, um Leute also, die nur am Ende des Monats zur Arbeit kämen, um den Lohn abzuholen. Ñoquis, das ist die spanischsprachige Version der italienischen Gnocchi, ein billiges Essen, das es in den Kantinen traditionell am Monatsende gibt, wenn nicht mehr viel Geld übrig ist.
Dass Macri nun die Geier hofiert, während es den Ñoquis an den Kragen geht, dürfte die sozialen Unruhen im Staat noch verstärken. Von Wirtschaftsexperten in aller Welt wird der Mann einhellig gefeiert. Diejenigen aber, die gegen seine Politik auf die Straßen gehen, bekommen es zunehmend mit Gummigeschossen und Wasserwerfern zu tun. So viel zur neuen Dialogbereitschaft.