Argentinien pleite, Konflikt-Eskalation in Nahost und in der Ukraine (samt wirtschaftsschädigender Sanktionsspirale), schwächelnde Konjunktur allerorten und eine Reihe von negativen Überraschungen in der jüngsten Quartalsbericht-Runde: Wundert sich eigentlich jemand, dass die Börsen derzeit so aussehen, wie sie aussehen? Überraschend ist höchstens, dass es vergangene Woche so dick gekommen ist. Jetzt steht jedenfalls der deutsche Leitindex Dax schon um fast achteinhalb Prozent unter seinem heuer erreichten Rekordstand. Und der Wiener ATX liegt gar um 16 Prozent unter dem Top-Wert dieses Jahres.
Entspannung ist aber weit und breit nicht in Sicht. Selbst wenn sich die geopolitische Eskalationsspirale nicht mehr so rasant weiterdreht, ist kurzfristig mit einer nachhaltigen Erholung nicht zu rechnen. Falls man demnächst den Dax unter 9000 und den ATX in der Gegend von 2000 Punkten sieht, sollte man sich jedenfalls nicht groß wundern. Die enorme Volatilität, die sich zuletzt an den Märkten gezeigt hat, lässt wuchtige böse Überraschungen jederzeit zu.
Die hier in den vergangenen Wochen mehrfach deponierten Mahnungen zu erhöhter Vorsicht haben sich leider als richtig herausgestellt. Angesichts der schleichenden Konjunkturverschlechterung in den vergangenen Monaten waren die Kurse vieler wichtiger Unternehmen schlicht überbewertet. Auch ganz ohne Argentinien, Ukraine und Nahost. Eine Korrektur war also zu erwarten. Durch die geopolitischen Wirrungen fällt die nun freilich stärker aus, als abzusehen war.
Was heißt das jetzt für Aktienanleger, die bereits auf größeren Barreserven sitzen, wenn sie klugerweise strikte Stopp-Loss-Regeln anwenden? Vorerst einmal: Abwarten und Tee trinken. Wenn die Lawine einmal rollt, weiß man nie so genau, wo sie zu stehen kommt. Bevor sie steht, sollte man den Lawinenkegel aber eher nicht betreten.
Natürlich kann man auch in solchen Zeiten mit gutem Stock-Picking dem Markt ein Schnippchen schlagen, aber das hat auch viel mit Glücksspiel zu tun. Die Empfehlung hier lautet heute also: Dem Markt fernbleiben, bis sich eine Wende abzeichnet.
Wem das zu langweilig ist, der kann sich an Empfehlungen von Analysten halten, die für aktives Handeln auch in schwierigen Zeiten plädieren. Die sind derzeit beispielsweise sehr angetan von den boomenden sozialen Netzwerken. Nach Facebook (ISIN US30303M1027) und Twitter (ISIN US90184L1026), die ihre Aktionäre zuletzt mit überraschend guten Resultaten und entsprechenden Kursbewegungen verwöhnt haben, ist nun auch das Karriere-Netzwerk LinkedIn (ISIN US53578A1088) auf deren Kaufliste geraten. Nach einem hervorragenden Qaurtalergebnis ist die Aktie am Freitag im Eröffnungshandel um mehr als zehn Prozent hochgeschnellt – und hat wohl noch Potenzial. Nach dem scharfen Sprung vom Freitag dürfte in den nächsten Tagen allerdings (ebenso wie bei Twitter) eine Verschnaufpause angesagt sein. Die könnte zu Zukäufen genutzt werden.
Im Windschatten der US-Konzerne könnte auch das deutsche Karriere-netzwerk Xing (ISIN DE000XNG8888) Gas geben, vermuten Analysten. Allerdings ist Xing in den vergangenen Tagen in den Strudel der deutschen Börsewirren geraten und dabei recht ordentlich gerupft worden. Da wird man wohl abwarten müssen, bis sich die Lage stabilisiert.
Eine Reihe von Kaufempfehlungen hat in der Vorwoche der deutsche Medizinkonzern Fresenius SE (ISINDE0005785604) erhalten. Grund dafür waren recht gute Quartalsergebnisse, die die Erwartungen der Analysten teilweise übertroffen hatten. Gefallen hat den Experten aber vor allem der Ausblick auf ein besseres zweites Halbjahr. Der Aktienkurs ist schon in den vergangenen Monaten ziemlich konstant nach oben gegangen und hält jetzt bei rund 111 Euro. Die Kursziele liegen zwischen 120 und 143 Euro, was durchaus ein wenig Spielraum bietet.
Kaufempfehlungen (unter anderem durch Deutsche Bank und UBS) hat zuletzt auch die britische Bank Barclays (ISIN GB0031348658) bekommen. Deren Kursentwicklung war in den vergangenen Monaten zwar keine Augenweide für Aktionäre, seit einiger Zeit bildet der Chart aber eine schöne Umkehrformation aus, die sich nach einem solide verlaufenen zweiten Quartal verstärken sollte. Die Kursziele liegen zwischen 285 und 305 Pence, aktuell ist das Papier 225 Pence wert.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2014)