Kolumbien: Vom Drogenland zum Shooting Star

Bogota. Im Grunde ist es nur eine rechnerische Formalität, doch die Kolumbianer verkünden es mit einem gewissen Stolz. Weil der argentinische Peso in den vergangenen Monaten stark an Wert verloren hat, ist die argentinische Wirtschaft hinter die kolumbianische zurückgefallen. Ökonomen schätzen das argentinische Bruttoinlandsprodukt für das Jahr 2013 nun auf 340 Milliarden US-$. Kolumbien erwirtschaftete im Vorjahr bereits 370 Milliarden US-$. Damit löst Kolumbien Argentinien als drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas ab.

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Für die kolumbianische Regierung ist dies ein bemerkenswerter ideologischer Prestigeerfolg. Anders als seine sozialistisch geprägten Nachbarstaaten setzt Kolumbien auf eine pragmatische, in vielen Zügen liberalere Wirtschaftspolitik. Dass sowohl das linkspopulistische Venezuela als auch das streng reglementierte Argentinien mit ernsthaften Problemen kämpfen, wird in Kolumbien mit Genugtuung vernommen. Der einstige Drogenstaat an der Atlantik- und Pazifikküste entwickelt sich zunehmend zum Aushängeschild der lateinamerikanischen Wirtschaft.

FARC ruhig gestellt

„Kolumbien ist derzeit einer der spannendsten Märkte in der Region", fasst die deutsche Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing (GTAI) ihren Exportausblick zusammen. Das Land zählt neben China, Ghana, Indonesien, Südkorea und dem Vereinigten Königreich zu den aussichtsreichsten Exportmärkten des Jahres. Die Stärken Kolumbiens lägen in der makroökonomischen Stabilität, der wachsenden Mittelschicht und dem Rohstoffreichtum, heißt es in dem Bericht. Die kolumbianische Wirtschaft wächst jedes Jahr um vier oder fünf Prozent, weit schneller als der lateinamerikanische Durchschnitt.

Ein Grund für diese Entwicklung ist, dass sich die Sicherheitslage in dem Land zuletzt deutlich verbessert hat. Mehr als 50 Jahre lang bremsten blutige Kämpfe mit den linken Rebellengruppen das Wirtschaftswachstum. Mit tatkräftiger Unterstützung der USA ist es der kolumbianischen Regierung nun gelungen, der marxistischen Guerillabewegung FARC erheblichen Schaden zuzufügen.

Der Staatspräsident Juan Manuel Santos geht entschlossen gegen die mit 10.000 Mann bedeutendste Guerillaorganisation Lateinamerikas vor. Derzeit finden Friedensverhandlungen statt, die das Land zusätzlich stabilisieren. Die FARC deklarierte bereits zuvor eine „einseitige Waffenruhe". Santos schafft zudem mit unternehmensfreundlichen Gesetzen, einer niedrigen Steuerquote und lascher Regulierung ein attraktives Investitionsklima, um den Aufschwung des Landes zu beschleunigen.

Immenser Nachholbedarf

Kolumbien hat erkannt, dass Wirtschaftswachstum stets innere Sicherheit voraussetzt. Das Schwellenland hat aufgrund der jahrzehntelangen Kämpfe enormen Aufholbedarf in praktisch allen Bereichen, allen voran in der Infrastruktur. Das soll sich nun ändern.

100 Milliarden US-$ sollen in den kommenden sieben Jahren in Großprojekte fließen. Herzstück der Offensive ist der Bau von 46 neuen Autobahnen mit einer Gesamtlänge von über 8000 Kilometern. Gleichzeitig wird das rückständige Schienennetz modernisiert und ausgebaut.

Weitere Projekte umfassen die Schiffbarmachung einiger Flüsse, etwa des 1500 Kilometer langen Rio Magdalena im Westen des Landes, und den Ausbau der entsprechenden Infrastruktur. So werden Häfen modernisiert, Flughäfen vergrößert oder die Energieversorgung optimiert. Die Bauwirtschaft soll dann wiederum das Wirtschaftswachstum ankurbeln, welches sich zumindest in den kommenden Jahren überwiegend auf die staatlichen Investitionen stützt.

Keine Umverteilung in Sicht

Der Aufstieg einer wohlhabenden Mittelschicht, die mit ihrem Konsum eines Tages das Wirtschaftswachstum tragen soll, geht unterdessen nur schleppend voran. Umverteilung findet in der konservativen Wirtschaftspolitik des Landes bisher nicht statt, großzügige Transferleistungen nach europäischem Vorbild sind im liberalen Modell Kolumbiens nicht vorgesehen. Firmen werden hingegen mit niedrigen Steuersätzen gelockt, junge Unternehmer mit Förderungen unterstützt.

Die Einkommens- und Vermögensverteilung ist folglich ernüchternd und weltweit eine der ungleichsten. Nur wenige afrikanische Länder, etwa Lesotho oder Sierra Leone, liegen noch hinter Kolumbien. Ein Drittel der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze - deutlich mehr als im benachbarten Venezuela.

Dort hat die Regierung zwar alles getan, um Investoren zu vergraulen. Die umfangreichen Sozialprojekte haben aber zu einem merklichen Rückgang der Armut geführt. Kolumbien hat es indessen noch nicht geschafft, die Bevölkerung am wachsenden Wohlstand der Wirtschaft teilhaben zu lassen. Das ist die Kehrseite des kolumbianischen Wirtschaftswunders.

 

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