„Jeder muss an seine Leistungsgrenze gehen“

AZ: Herr Baas, Herr Kubirske, in 50 Tagen startet die Faustball-Weltmeisterschaft in Argentinien. Was erwarten Sie vom Turnier?
C. Kubirske: Wir hatten einen großen Umbruch im Team und sind nun eine sehr junge Mannschaft. Michael ist nach sieben Weltmeisterschaften als Rekordnationalspieler nicht mehr dabei. Wir wollen in Argentinien auch eine gute Zeit haben, das Land kennenlernen und dort unsere beste Leistung abrufen.
M. Baas: Wir wollen uns bei der WM als Mannschaft präsentieren. Da ist es durchaus ein Vorteil, dass fast alle Spieler hier im Land aktiv sind. Es ist wichtig, dass wir als geschmiedetes Team, als Einheit, dort rüberfahren.
AZ: Besteht da nicht die Gefahr von Grüppchenbildung?
C. Kubirske: Nein, das Risiko sehe ich nicht. Der Jüngste ist 17, der Älteste 32. Wir haben eine gute Mischung mit jungen, hungrigen Spielern beisammen.
AZ: Erstmals nehmen 15 anstatt zwölf Länder am Turnier teil. Darunter sind Debütanten aus aller Welt. Ein Schritt in die richtige Richtung?
C. Kubirske: Es sind fünf neue Mannschaften dabei. Schön, dass Südafrika darunter ist. Der Internationale Faustballverband (IFA) will rausgehen und weltweit Länder akquirieren. In Kenia etwa wird jetzt auch gespielt. Faustball ist häufig als „Deutschen-Sport“ verschrien. Da ist es eine tolle Entwicklung, wenn Nationen ohne diesen Hintergrund dazustoßen. All das gibt diesem Turnier ein anderes Flair.
AZ: Sie haben Südafrika erwähnt, seit wann wird dort Faustball gespielt?
M. Baas: Im letzten Jahr wurde dort mit dem Sport begonnen. Inzwischen haben sich um Kapstadt einige, wenige Teams gegründet. Ostern war ich unten und habe einige Stunden vorbeigeschaut, da haben sie im Park trainiert. Das ist eine buntgemischte Truppe. Im Juni fand dann ein erstes, größeres Turnier im Athlone Parc auf perfektem Rasen statt. Die Südafrikaner sind im Anfangsstadium, sie werden um die unteren Ränge spielen. Anderseits haben sie über 50 Millionen Menschen da unten, das könnte also etwas werden. Für uns wäre das nur positiv.
AZ: Musste sich das Team qualifizieren?
M. Baas: Nein, beim Faustball wird man zu einer WM eingeladen. Ziel muss es momentan ja noch sein, dass Teilnehmerfeld zu vergrößern. Daher ist aktuell auch das Leistungsgefälle zwischen den Teams in der Regel recht groß.
C. Kubirske: Australien, Kolumbien, Indien, Pakistan und Südafrika sind in diesem Jahr das erste Mal dabei. Wobei in Pakistan schon länger Faustball gespielt wird. Da sind einige Ex-Volleyballer im Team. Auch die anderen Neulinge haben schon Erfahrungen gegen internationale Teams gesammelt. Einzig die Südafrikaner sind auf diesem Terrain noch völlig unerfahren und haben sich noch mit keiner anderen Mannschaft gemessen.
AZ: Könnte es in Zukunft regelmäßige Vergleiche mit dem Nachbarn geben?
M. Baas: Ich denke, dass der Kontakt durch die WM jetzt enger werden könnte. Für die Zukunft ist da auf jeden Fall etwas möglich.
AZ: Welches Turnierformat ist bei 15 Mannschaften überhaupt möglich?
C. Kubirske: Es gibt drei Vorrunden-Gruppen mit jeweils fünf Teams. Die Teilenehmer mit WM-Erfahrung sind auf die ersten beiden Gruppen aufgeteilt. Die Rookies spielen in Gruppe C gegeneinander. Es gilt der Modus Jeder gegen Jeden. Die Abschlusstabellen der Gruppenphase legen die Paarungen für die abschließenden K.o.-Spiele fest. Die schwächeren Teams spielen eine Trostrunde aus.
AZ: Inwiefern halten Sie das neue Turnierformat mit einer Gruppe, die einzig aus Neulingen besteht, für sinnvoll?
M. Baas: Das ist von Verbandsseite, ebenso wie die Trostrunde, eine gute Entscheidung. Für jede Mannschaft ist es positiv, möglichst viele Spiele auf Augenhöhe bestreiten zu können.
AZ: Namibias beste Turnierplatzierungen waren zwei sechste Plätze in den Jahren 1995 und 1999. Hat der Namibische Faustball-Verband (FAN) für dieses Jahr ein konkretes Ziel ausgegeben?
M. Baas: Für mich als Verbandspräsident wäre es das Höchste der Gefühle, wenn wir den achten Platz verteidigen könnten. Natürlich, das muss man auch sehen, haben wir eine sehr junge Mannschaft.
AZ: Ist das realistisch?
M. Baas: Die fünf WM-Neulinge sollten wir schon hinter uns lassen. Der Verband hat keine genaue Vorgabe gemacht. Dazu haben wir in der Vergangenheit auch einfach zu wenige Vergleiche gehabt. Ich würde sagen: Der neunte Platz ist optimal, der achte wäre fantastisch.
AZ: Was, glauben Sie, müssen die Grundtugenden sein, um dieses Ziel zu erreichen?
M. Baas: Unsere junge Mannschaft muss funktionieren. Von den neun Jungs, die hier im Land spielen, sind vier beim Sportklub Windhoek (SKW) und fünf bei Cohen aktiv. Unser Allrounder Gian Rudolph (Anm. d. Red. Rudolph spielt in Deutschland beim TSV Burgdorf) ist der einzige Legionär. Wir sind in Namibia unter uns und daher ziemlich gut eingespielt. Spannung kommt in der Regel nur auf, wenn Cohen auf den SKW trifft. Bei der WM muss jetzt jeder an seine Leistungsgrenze gehen, das wird entscheidend sein.
C. Kubirske: Für uns ist der Teamspirit extrem wichtig. Nur so können wir in dem einen oder anderen Satz unsere technische Limitiertheit ausgleichen und etwas holen.
AZ: Mit Ihnen, Herr Kubirske, und Mark Roesener haben lediglich zwei Spieler Erfahrung bei einer Herren-WM gesammelt. Ein Nachteil?
M. Baas: Mit dem 19-jährigen Tristan Minz haben wir einen jungen Spieler dazu gewonnen, der als Hauptschläger im Jugendbereich schon bei einer Kontinental- und bei einer Weltmeisterschaft mitgespielt hat. Da entwickelt man auch als junger Spieler eine gewisse Routine. Die Nervosität spüren auch Haudegen wie Christoph noch (lacht). Wir haben alles in allem eine gute Mischung und eine sehr junge Mannschaft, die jüngste seit zehn, 15 Jahren.
AZ: Wie viele Menschen kommen zu einem WM-Spiel und wie, denken Sie, wird die Stimmung in Argentinien sein?
C. Kubirske: Bei der letzten WM in Österreich waren während des Finals 13 000 Leute im Stadion. Bei den Vor- und Zwischenrunden-Spielen saßen zwischen 4 000 und 5 000 Menschen auf der Tribüne. Da kommt schon Stimmung auf.
M. Baas: Die Atmosphäre in Argentinien wird ähnlich gut sein, da bin ich mir sicher - die Leute dort sind absolut sportverrückt.
AZ: Für eine optimale Vorbereitung wurde ein Trainingslager in Windhoek organisiert. Wer leitete dies? Die Trainerfrage wurde bis zuletzt in der Öffentlichkeit nicht klar kommuniziert…
C. Kubirske: Lokal betreue ich das Team und leite die Trainingslager. In den kommenden sechs Wochen wird montags und mittwochs gelegentlich zusammen trainiert. Zusätzlich wird es an Donnerstagen noch vier Extra-Einheiten mit externer Unterstützung der Fitnesstrainerin Christine Baas geben. Dazu kommt ein großes Trainingslager und fünf Sonntage, an denen wir uns zusätzlich einspielen werden. Die nächsten zwei Monate werden intensiv. Zur Trainerfrage: Wir hatten zwei unterschiedliche Optionen. Zum einen Nick Trinemeier, Ex-Trainer des Swakopmund FC und mittlerweile deutscher Nationalspieler, der im vergangenen Jahr Europameister geworden ist. Er spielt beim TSV Pfungstadt, dem aktuellen Weltpokalsieger. Letztendlich ist es dann die andere Lösung, Oliver Späth, geworden. Ein Hintermann, ebenfalls vom TSV Pfungstadt, der als Chefcoach in Argentinien übernehmen wird. Ich werde als Co-Trainer fungieren. Der Kontakt zu Oliver ist bei der Club-Weltmeisterschaft im Oktober 2013 entstanden. Er ist sechsfacher deutscher Meister im Feld-Faustball und hat auch international enorm viel Erfahrung. Oliver kann sich durch seine Routine deutlich schneller auf Schläge einstellen, das wird uns sicher helfen.
M. Baas: Er sieht viele Dinge mit einem anderen Blick, das bringt uns neue Möglichkeiten.
AZ: Oliver Späth wird erst vor Ort in Argentinien zum Team stoßen?
C. Kubirske: Genau, acht Tage vor Beginn der WM treffen wir in Argentinien ein. Die Zeit werden wir für Akklimatisierung und das Training nutzen.
M. Baas: Für Oliver ist die frühe Anreise gut, weil er beim Weltpokal damals nur den SKW gesehen hat. Auch für die Spieler der anderen Vereine ist es wichtig, dass man sich kennenlernen kann. Dafür sind Trainingseinheiten notwendig.
AZ: Was passiert jetzt noch bis zur WM? Trainingslager, Auslosung, Abreise…
C. Kubirske: Am Samstag, 7. November, geht unser Flug. Wir fliegen die gesamte Strecke - mit Zwischenstopp in Brasilien - an einem Tag. Insgesamt sind wir 17 Stunden am Stück unterwegs. Wir werden spätabends ankommen und uns dann in Ruhe akklimatisieren. Am Montag wird trainiert. Aber während der WM werden wir nicht wie die Wilden arbeiten, die Spiele dort sind anstrengend genug. Es kommt auch darauf an, wie unsere Partien liegen. Damals, 2003 in Brasilien, waren die klimatischen Verhältnisse selbst für uns Namibier brutal. Auch ein paar lustige Dinge zur Entspannung sind geplant.
AZ: Freut man sich in Argentinien auch auf Land, Leute und Kultur? Noch nie hat eine namibische Mannschaft dort gespielt.
C. Kubirske: Die Freizeitgestaltung ist in Südamerika komplizierter. Da kann man nicht mal schnell googlen, wo es die nächste Attraktion gibt. Wir werden von Ort zu Ort schauen. Mountainbike-Touren wären vorstellbar, 2003 in Brasilien waren wir raften, das war klasse. Wir wollen auch Spaß haben und lachen - es ist wichtig, um der Truppe die Aufregung zu nehmen.
M. Baas: Zunächst stehen noch zwei größere Termine fernab der Nationalmannschaft auf dem Programm: Diesen Samstag wird in den Playoffs der namibische Faustball-Meister ausgespielt. Ein hitziges Duell, weil es auch um die Teilnahme und Ausrichtung des Weltpokals geht, der im kommenden Jahr wieder bei uns stattfindet.
AZ: Gibt es noch weitere Termine vor der Abreise nach Argentinien?
M. Baas: Am 24. Oktober, zwei Wochen vor dem Abflug, wird in Swakopmund der Landespokal ausgespielt. Im Rahmen der Veranstaltung ist auch die offizielle Verabschiedung der Nationalmannschaft geplant.

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