Hockey: Österreichs großer Olympiatraum

Buenos Aires/Wien. Der lange Weg zu den Olympischen Spielen 2016 geht für Österreichs Hockey-Herren in die entscheidende Phase. Ab Mittwoch steigen die beiden Halbfinalturniere der World League, die ÖHV-Auswahl spielt in Argentinien gegen den Gastgeber, Kanada, Deutschland und Spanien. „Wir sind krasser Außenseiter“, sagt Kapitän Benjamin Stanzl. Sechs oder sieben Olympia-Tickets werden insgesamt vergeben, je nachdem, ob Brasilien die Voraussetzungen erfüllt. Endgültige Gewissheit gibt es dank der komplizierten Regeln des Weltverbandes erst im Herbst, wenn alle Kontinentalmeister feststehen.

„Wir fangen erst gar nicht an zu rechnen, sondern denken von Spiel zu Spiel“, erklärt Stanzl. Bei einem Halbfinaleinzug stünden die Chancen auf die vierte Olympia-Teilnahme nach 1928, 1947 und 1952 gut. Die Marschroute ist klar: „Wir wollen überraschen, den ein oder anderen Großen ärgern.“ Die Vorfreude auf die Duelle mit Olympia-Sieger Deutschland oder Gastgeber Argentinien ist jedenfalls groß. „Da kommen bis zu 20.000 Zuschauer zu den Spielen. Das wird für jeden von uns die geilste Hockey-Erfahrung unseres Lebens“, schwärmt der Wiener im Gespräch mit der „Presse“. Der Schlüssel für den Weg nach Rio aber ist die zweite Partie gegen Kanada. „Wollen wir eine Runde weiterkommen, dann müssen wir die Kanadier schlagen. Die sind absolut in unserer Reichweite.“

 

Familiäre Atmosphäre

Als Kapitän und einer von fünf Legionären im 18-köpfigen Aufgebot ist Stanzl einer der absoluten Anführer. „Wir sind ein relativ junges Team, da mussten alle früh Verantwortung übernehmen“, sagt der 27-Jährige, der nach Michael Körper der zweitälteste Spieler ist. Die beiden spielten schon gemeinsam in der Sandkiste, auch Stanzls jüngerer Bruder Patrick, 22, ist in Argentinien dabei. Generell herrsche im österreichischen Hockey nach wie vor eine sehr familiäre Atmosphäre. „Viele von uns sind gemeinsam aufgewachsen, wir kennen uns alle sehr gut.“ In der Halle zählt Österreich zur Weltspitze, erst im Februar wurde WM-Silber gewonnen. Warum es bei der Umsetzung auf das olympische Feld hapert, liegt für Stanzl auf der Hand: „In Österreich sind wir reine Amateure. Es fehlt an der Dichte und den finanziellen Möglichkeiten, um ganzjährig auf dem Feld zu spielen.“

Stanzl selbst hat sich vor einigen Tagen einen Kindheitstraum erfüllt und den Schritt zum Profi gewagt: Nach acht Jahren beim deutschen Klub Harvestehuder THC wechselt er zum niederländischen Meister und amtierenden EHL-Sieger Oranje Zwart nach Eindhoven. „Dort kann ich von Hockey leben“, erzählt der Sportmanagementstudent und sehnt zahlreiche Nachahmer herbei. „Ich hoffe, dass andere auch den Schritt wagen. Das Potenzial dazu hätten sie.“ (swi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2015)

Leave a Reply