Haftbefehle für mutmaßliche Folterer des Franco-Regimes

Kilometer Null steht auf einer Plakette auf dem Boden vor dem Haupteingang zum Gebäude der Madrider Regionalverwaltung. Es ist der Messpunkt für die Autobahnen, die zur spanischen Hauptstadt führen. Einen Gedenkstein für die Opfer der spanischen Diktatur sucht man jedoch vergebens. Dabei war das Gebäude während des Franco-Regimes ein gefürchtetes Folterzentrum.

"Man wusste ganz genau, was die Generaldirektion für Sicherheit ist. Das war ja der Zweck dieses Terrors. Die Leute sollten wissen, dass es reichte, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, um dort verhört und gefoltert zu werden."

... sagt José María Galante. Er war Mitglied der Demokratischen Studentengewerkschaft.

"Dort sind viele Leute gestorben, weil unerfahrene Folterer zu weit gegangen waren oder weil ihnen das Leben ihrer Opfer schlicht egal war. Das wusste jeder."

Als er 1967 zur Uni kam, sei er völlig unpolitisch gewesen, sagt der heute 65-Jährige im Büro von La Comuna, einer Opfer-Organisation. Doch die Repression an der Hochschule sei so brutal gewesen, dass er sich schnell der verbotenen demokratischen Studentenorganisation anschloss. Vier Mal sollte er verhaftet werden:

"Wir mussten durch ein Spalier, rechts und links Polizisten und Mitglieder der Politisch-Sozialen Brigade. Da hagelte es Prügel mit Fäusten, Schlagringen, Knüppeln. Ich habe die Karteikarte über meine Einweisung in die Generaldirektion bekommen. Sie ist vollständig. Nur das Foto fehlt. Klar, ich sah aus wie ein Gekreuzigter, nicht zu erkennen. Das war das Empfangskomitee."

Das war erst der Anfang. Bei den Verhören wurde ihm ein Helm aufgesetzt, auf den die Polizisten einschlugen und gleichzeitig Fragen stellten. Seither hat er Gleichgewichtsstörungen und Probleme mit einer Arterie im Gehirn. Er wurde an der Zimmerdecke aufgehängt und wie ein Sandsack mit Karatetritten traktiert. Einer der schlimmsten Folterer:

"Er war ein richtiger Idiot und nannte sich Billy the Kid. Er schlug mich mit einem Gewehrkolben und lachte. Ich könne jetzt sagen, dass Billy the Kid mir eine verpasst hat, sagte er. Er war berühmt. Aber viele andere Leute wissen nicht, wer sie gefoltert hat. In den Unterlagen finden sich nur deren Personalnummern. Aber die Behörden sagen uns nicht, um welche Beamten es sich handelt."

Untersuchungsrichter Baltasar Garzón (Bild: Hans-Günter Kellner)

Untersuchungsrichter Baltasar Garzón (Bild: Hans-Günter Kellner)

So ist kein Folterer des Franco-Regimes je vor Gericht gestellt worden. Dabei hatte die spanische Justiz Ende der 90er-Jahre geurteilt, bei schweren Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien sogenannte Schlussstrichgesetze unwirksam. Doch dabei ging es um Verfahren gegen Täter in Lateinamerika. Als der spanische Ermittler Baltasar Garzón auch die Diktatur im eigenen Land juristisch aufarbeiten wollte, stoppte ihn die Justiz. Die Begründung: Seine Ermittlungen verstießen gegen das Amnestiegesetz von 1977 - für Galante ein ganz offensichtliches Schlussstrichgesetz, geschrieben für die Täter. Auch wenn er selbst nach dieser Amnestie aus dem Gefängnis frei kam:

"Mich haben nicht der König oder die Politiker befreit. Mich haben die Demonstranten aus dem Gefängnis geholt, die für die Befreiung der politischen Gefangenen auf die Straße sind. Als ich im Gefängnis war, wollte ein Junge in Almería das Wort Amnestie an eine Hauswand schreiben. Er kam bis zum fünften Buchstaben, da erschoss ihn die Guardia Civil. Dieser Junge starb, um mich aus dem Gefängnis holen."

Dabei schießen dem großen, weißhaarigen Mann auch mehr als 30 Jahre danach noch Tränen in die Augen. Folteropfer wie er hoffen jetzt in Argentinien auf Hilfe. Vor drei Jahren zeigten sie dort ihre mutmaßlichen Peiniger an. Jetzt hat eine Untersuchungsrichterin in Buenos Aires drei internationale Haftbefehle ausgestellt. Zu den Gründen, warum ausgerechnet Argentinien ermittelt, meint die argentinische Rechtsanwältin Ana Mesutti:

"Eine Hand wäscht die andere. Gestern für uns, heute für Euch. Spanien begann, die argentinischen Folterer vor Gericht zu bringen. Das führte dazu, dass dies auch bei uns geschehen konnte."

So hoffen Opfer wie Galante, dass sich auch die spanische Rechtsprechung ändert und die Verbrechen der spanischen Diktatur bald auch in Spanien verhandelt werden können.

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