Haftbefehl – Genugtuung für Franco-Opfer

Francisco Franco starb am 20. November 1975. Mit seinem Tod ging in Spanien ein fast vier Jahrzehnte dauerndes Unrechtsregime zu Ende, dessen Gegner mit Mord und Folter rechnen mussten. Doch in den 38 Jahren, die seit dem Tod des Diktators vergangen sind, ist nicht ein einziger Verantwortlicher für die systematischen Menschenrechtsverletzungen der Franco-Zeit juristisch zur Verantwortung gezogen worden. Bis zum Mittwoch: Da erließ die argentinische Richterin María Servini erstmals einen internationalen Haftbefehl gegen vier ehemalige Polizisten des Franco-Regimes, denen sie die Folter politischer Gefangener vorwirft. Eine „historische Entscheidung“, finden die Opferverbände.

In dem 204 Seiten langen Beschluss der Richterin vom Bundesstrafgericht Nummer 1 in Buenos Aires werden die vier mutmaßlichen Täter mit Namen, Alter und letzter bekannter Adresse aufgelistet: Juan Antonio González Pacheco, 66 Jahre; José Ignacio Giralte González, 71 Jahre; Celso Galván Abascal, 78 Jahre; Jesús Muñecas Aguilar, 74 Jahre; alle wohnhaft in Madrid oder Umgebung. Der Terror des Franco-Regimes erhält Namen und Gesichter. Das ist sensationell. Jahrelang hatten die Spanier über die Diktatur geschwiegen. Es sollte zweieinhalb Jahrzehnte dauern, bis die Opfer das Schweigen brachen und von ihrem Leidensweg zu erzählen begannen.

Umstrittenes Amnestiegesetz

Die Tatorte waren Polizeiwachen, Gefängnisse und die berüchtigte „Sicherheitsgeneraldirektion“ an der Madrider Puerta del Sol, in deren Gebäude heute die Regionalregierung residiert. Die Opfer erinnern sich genau an ihre Täter. „Während sie mich schlugen, sagten sie mir: Sag, dass deine Mutter eine Nutte ist, sag, dass dein Vater eine Schwuchtel ist“, berichtet in seiner Aussage Alfredo Rodríguez Bonilla, der 1975 in die Hände von Giralte und einem weiteren Folterer geriet.

Die mutmaßlichen Täter werden die Gelegenheit, sich vor Gericht gegen die Vorwürfe zur Wehr zu setzen, wahrscheinlich nicht nutzen. Dazu müssten sie sich freiwillig stellen oder an Argentinien ausgeliefert werden, und dazu müsste die spanische Regierung ihre Einwilligung geben. Doch das wird sie aller Voraussicht nach nicht tun. Aus Sicht von Politik und Justiz können die Verbrechen des Franco-Regimes nicht verfolgt werden: Dem stehe das spanische Amnestiegesetz von 1977 entgegen.

Die Rechtmäßigkeit jener Generalamnestie ist umstritten. Verbrechen gegen die Menschlichkeit können aus Sicht etlicher Juristen in aller Welt weder verjähren noch unter eine Amnestie fallen. Schon der frühere spanische Untersuchungsrichter Baltasar Garzón hatte in einem Ermittlungsverfahren über die Verbrechen der frühen Franco-Jahre vergeblich versucht, sich über das Amnestiegesetz hinwegzusetzen – weswegen er der Rechtsbeugung bezichtigt, schließlich aber freigesprochen wurde.

Frustriert über die Unmöglichkeit, die Franco-Verbrechen in Spanien verfolgen zu lassen, wandte sich eine Gruppe von Opferverbänden vor drei Jahren an die argentinische Justiz. Ähnlich wie der Spanier Baltasar Garzón einst die Verbrechen der chilenischen Pinochet-Diktatur und der argentinischen Militärjunta verfolgte, kümmert sich die Argentinierin María Servini nun um die Verbrechen des Franco-Regimes.

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