Andreas Freytag
Argentinien hat den sogenannten Kirchnerismus abgewählt. Das ist zunächst einmal eine uneingeschränkt gute Nachricht, denn die Politik Frau Kirchners hat dem Land nicht gut getan. Intern sind Inflation und Armut gestiegen, nach außen gab es vor allem Konflikte und fehlende Kreditmöglichkeiten zu vermelden.
Manche Feuilletonisten haben es bedauert, dass eine linke Politikerin, noch dazu eine mit einem Herz für arme Bürger, abgewählt wurde, weil damit die Gefahr drohe, dass Lateinamerika sich insgesamt nach rechts bewege. Manche scheinen es sich nur mit einem Grauen vorstellen zu können, dass im Dezember in Venezuela der Chavismus ebenfalls abgewählt werden könnte. Dort wäre ein Regimewechsel aber noch notwendiger als in Argentinien.
Machtwechsel in Argentinien:
Macri wird neuer Präsident
Die Liebe der deutschen Linken zu den linken Experimenten der anderen – also nicht bei uns – hat Tradition und wirkt etwas naiv, wenn nicht zynisch. Denn sowohl in Argentinien als auch – deutlich stärker – in Venezuela haben die vielen Jahre mit einer Linksregierung nicht viel Gutes bewirkt.
Blickt man nach Argentinien, so kann man folgende verheerende Bilanz ziehen: Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen, der Protektionismus ist verstärkt, die privaten Pensionskassen sind geplündert, die Devisenreserven sind nahezu vollständig aufgebraucht, die Mittelschicht ist geschrumpft, und die Inflationsrate liegt im weltweiten Spitzenfeld.
In Argentinien war es den Forschungsinstituten in den letzten Jahren verboten, eine Inflationsrate zu veröffentlichen, die von der offiziellen Statistik abweicht. Geschätzt liegt die Inflation bei über 30 Prozent; das reicht, um nachhaltige Schäden anzurichten. Immerhin – und das wird im Feuilleton gefeiert – hat sich Frau Kirchner um eine effektive Sozialpolitik bemüht. Das klingt besser als es ist, denn die Sozialpolitik wurde durch die schlechte Politik erst notwendig.
Das vermutlich zentrale Problem Argentiniens findet in der internationalen (und eventuell auch in der argentinischen) Öffentlichkeit nach wie vor zu wenig Beachtung: die extrem nachteilige Organisation der Staatsfinanzen. Argentinien „erwirtschaftet“ Jahr für Jahr erhebliche staatliche Budgetdefizite (in 2015 geschätzte 7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts), die zu einem guten Teil im hohen Anteil staatlicher Beschäftigter an der Gesamtbeschäftigung begründet zu sein scheinen. Dabei scheinen die Provinzen nach wie vor eine unrühmliche Rolle zu spielen, weil die Bundesebene die Provinzen in finanziellen Notlagen unterstützen muss (Bail-out). Dies setzt natürlich Fehlanreize frei.