Seine erste Auslandsreise führt Papst Franziskus nach Brasilien. Dort, in Rio de Janeiro, wird der Argentinier mit schätzungsweise zwei Millionen jungen Menschen den 28. Weltjugendtag (23. bis 28. Juli) der katholischen Kirche begehen. Aus Deutschland sollen etwa 1800 Teilnehmer vor Ort sein. Insgesamt 74 Jugendliche und Erwachsene aus dem Bistum Würzburg sind mit Bischof Friedhelm Hofmann Gast beim Weltjugendtag. Prälat Bernd Klaschka, Geschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerkes „Adveniat“, der den Papst, als er noch Erzbischof in Argentinien war, mehrere Male getroffen hat, erwartet ein Glaubensfest mit politischen Akzenten.
Frage: Wie wird uns Papst Franziskus in Rio überraschen?
Bernd Klaschka: Wie, das kann ich nicht sagen. Aber ich glaube, dass er uns überraschen wird. Denn das hat er in der Vergangenheit immer wieder getan durch seine Gesten und Zeichen. Ich glaube, er wird die jungen Menschen dazu auffordern, den in Lateinamerika eingeschlagenen Weg der Demokratisierung und des Eintretens für Gerechtigkeit weiterzugehen. Dazu gehört auch der Kampf gegen die Korruption.
Wird es ein politischer Weltjugendtag?
Klaschka: Es wird zunächst einmal ein Glaubensfest – aber ein Glaubensfest, das nicht den Glauben allein feiern, sondern sich auch auf den Alltag der Menschen auswirken soll. Der Weltjugendtag wird politisch sein in dem Sinne, dass unser Glaube Einfluss haben muss auf das Zusammenleben der Menschen und die Gestaltung der Gesellschaft. Da der Papst Lateinamerika gut kennt, wird er zu sozialer Gerechtigkeit aufrufen und zugleich die Kirche auffordern, selbst eine arme Kirche zu sein, so wie er es schon oft in seinem Pontifikat getan hat.
Sie sagten kürzlich, Franziskus werde noch „einige provokatorische Gesten setzen“. Was meinten Sie damit?
Klaschka: Sein Besuch auf der italienischen Insel Lampedusa bei den Bootsflüchtlingen war eine provokatorische Geste. Auch die Tatsache, dass er die Eucharistie auf einem Flüchtlingsboot zusammen mit den Flüchtlingen gefeiert hat, soll uns nachdenklich stimmen. Außerdem hat er sich dort zum Beispiel in einem kleinen Pritschenwagen bewegt. Das sind Gesten, die uns herausfordern.
Die deutschen Bischöfe sollen darüber nachdenken, was sie nun mit ihren großen Dienstlimousinen anstellen, hört man.
Klaschka: Davon habe ich auch gehört. Wie sie Franziskus' Gesten für sich selbst realisieren, steht in ihrer eigenen Verantwortung.
In Deutschland wird gerade wieder verstärkt darüber diskutiert, ob sich Franziskus und Benedikt XVI. mehr ähneln oder unterscheiden.
Klaschka: Das ist eine typisch deutsche Diskussion, ob die beiden in Kontinuität zueinander stehen oder Antipoden sind. Franziskus hat den Entwurf der Enzyklika Benedikts aufgenommen und mit eigenen Gedanken angereichert. Kontinuierlicher kann man nicht sein.
Welches Signal geht allein davon aus, dass die erste Auslandsreise eines lateinamerikanischen Papstes nach Lateinamerika führt?
Klaschka: Vielleicht ein ähnliches Signal wie beim deutschen Papst Benedikt XVI., dessen erste Auslandsreise nach Deutschland ging. Hierzulande gab es damals Euphorie und Aufbruchstimmung. Nur: Lateinamerika ist kein einziges Land, alleine Brasilien entspricht eigentlich einem ganzen Kontinent.
Es heißt immer, Lateinamerika sei der „katholische Kontinent“. Aber die Freikirchen machen dort der katholischen Kirche erhebliche Konkurrenz. Von einer heilen katholischen Welt lässt sich da nicht sprechen.
Klaschka: Eine heile Welt in diesem Sinne besteht in keinem lateinamerikanischen Land. Wir müssen uns bemühen, mit der pentekostalen Bewegung, der Pfingstbewegung, im Gespräch zu sein. Es ist eine Herausforderung für die katholische Kirche, aber auch für die Pfingstbewegung, aufeinanderzuzugehen.
Mit Benedikt XVI. erhielt das Thema Ökumene besonderes Gewicht. Rückt mit Franziskus das Thema Pfingstbewegung in den Vordergrund?
Klaschka: Ich würde sagen: Wir Deutsche haben mit Franziskus die große Chance, über unseren Tellerrand zu blicken und noch stärker zu lernen, Weltkirche zu sein. Durch die Arbeit der katholischen Hilfswerke, die zum Teil ja schon seit über 50 Jahren bestehen, sind wir auf einem sehr guten Weg. Wir sollten nicht nur unsere Probleme, so wichtig sie sind, im Blick haben, sondern uns öffnen.
Sie haben Erzbischof Jorge Mario Bergoglio, den späteren Papst Franziskus, bei mehreren Treffen als einen „zurückhaltenden“ Menschen erlebt. Ist er durchsetzungsstark genug, um die katholische Kirche zu reformieren?
Klaschka: Zurückhaltend heißt ja nicht: nicht durchsetzungsfähig. Es heißt: Ich schaue mir die Situation an, analysiere sie und ziehe daraus die Schlussfolgerungen. Ich glaube, Papst Franziskus ist durchsetzungsfähig auf eine sehr menschliche und rücksichtsvolle Art und Weise.
Bisher hat er sich als ein „Meister der Gesten“ erwiesen. Wird er noch zu einem „Meister der Taten“ werden?
Klaschka: Ich halte ihn für tatkräftig – Gesten sind auch Taten. Außerdem hat er mit den acht Kardinälen aus der Weltkirche ein nicht zu unterschätzendes Beratungsgremium berufen. Nach etwas mehr als hundert Tagen im Amt kann man gewiss noch keine Meisterschaft im Papsttum erreichen. Bislang ist es ihm aber gelungen, in seinem neuen Amt als Bischof von Rom authentisch zu sein. Deshalb wird auch wertschätzend über ihn berichtet, und die Menschen nehmen seine Gesten und Zeichen wahr. Damit ist die Hoffnung verbunden: Mit jedem neuen Papst kann Neues aufbrechen.
Bernd Klaschka
Prälat Bernd Klaschka wurde am 12. Juli 1946 in Rheinberg, Nordrhein-Westfalen, geboren. 1973 wurde er im Bistum Münster zum Priester geweiht. Von 1977 bis 1984 und von 1996 an war er Pfarrer in Mexiko. 2004 berief ihn die Deutsche Bischofskonferenz zum Geschäftsführer des Lateinamerika-Hilfswerkes „Adveniat“ – einer Organisation mit fast 100 Mitarbeitern mit Sitz in Essen. Die Weihnachtskollekte der deutschen Katholiken für die Kirche in Lateinamerika wurde 1961 eingeführt, 1962 als „Bischöfliche Aktion Adveniat“ fortgesetzt und 1969 auf Dauer eingerichtet. Adveniat hat laut Statut das Ziel, die Ortskirchen in Lateinamerika und in der Karibik zu unterstützen, durch „solidarisches Handeln, durch Begegnung und Dialog, durch das gegenseitige Teilen von materiellen und geistigen Gütern“. Zwischen Oktober 2011 und Oktober 2012 wurden mehr als 2400 Projekte mit rund 35 Millionen Euro gefördert. FOTO: dpa