Franziskus in Brasilien Der argentinische Papst – FAZ

Papst Franziskus in Rio de Janeiro

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Segen für Olympia: Papst Franziskus in Rio de Janeiro

Rio de Janeiro ist dieser Tage fest in argentinischer Hand. Zumindest erwecken die unzähligen Jugendlichen, die mit himmelblau-weißen Fahnen, Shirts und anderen argentinischen Insignien durch die Stadt zu Füßen des Zuckerhuts ziehen oder sich an den Stränden versammeln, diesen Anschein. Die rund 40.000 Argentinier, die zum Weltjugendtag und zum Besuch des Papstes nach Rio gereist sind, stellen das zweitgrößte Kontingent nach den einheimischen brasilianischen Teilnehmern.

Eigentlich hatten sie gehofft, dass Franziskus von Rio aus einen Abstecher in seine knapp drei Flugstunden entfernte Heimatstadt Buenos Aires unternehmen würde. Doch diese Hoffnung hat sich bald nach dem Amtsantritt des Papstes zerschlagen. Er ließ mitteilen, dass er einstweilen nicht nach Argentinien kommen werde. Die offizielle Begründung lautete, es sei ein Wahljahr, weil im Oktober das argentinische Parlament teilerneuert wird, da wolle er sich nicht einmischen. Später hieß es, er werde im Dezember sein Heimatland besuchen, doch auch das wurde zwischenzeitlich vom Vatikan dementiert.

Begegnung mit Pilgern

Aber Franziskus liebt Überraschungen. Obschon sein offizielles Programm in Rio schon seit einiger Zeit geplant ist, wurde auf sein Betreiben eine Begegnung mit den jungen argentinischen Pilgern in letzter Minute für Donnerstagmittag anberaumt. Lange war nach einer geeigneten Örtlichkeit gesucht worden, bis man auf eine eigentlich naheliegende Lösung kam und das Treffen in die Kathedrale São Sebastião verlegte. Sie bietet in diesen verregneten Tagen einen trockenen Unterschlupf. Viele andere Veranstaltungen müssen unter freiem Himmel stattfinden. Ob allerdings alle argentinischen Pilger, die an der Zeremonie teilnehmen wollen, in die Kathedrale hineinpassen, ist ungewiss.

Schon in der vergangenen Woche waren ganze Buskarawanen von der Kathedrale im 2800 Kilometer entfernten Buenos Aires, in der Franziskus als Kardinal und Erzbischof gewirkt hatte, und aus anderen Städten in Argentinien nach Rio losgefahren. Das Flugzeug ist für die meisten Teilnehmer des Weltjugendtags zu teuer; in Südamerika gibt es keine Billigflüge wie in Europa. Pilger aus Jujuy im Norden Argentiniens waren im Bus zweieinhalb Tage unterwegs gewesen, die Gruppen aus Chubut in Patagonien hatten 82 Stunden hinter sich. Fahrzeit von der Hauptstadt Buenos Aires aus: 38 Stunden. Nach den Strapazen der langen Busreise übernachten die Argentinier in Schulen, Sporthallen oder bei Privatleuten.

Manch einer hat sich auch auf eigene Faust auf den Weg gemacht. Facundo Tolaba zum Beispiel, ein Süßigkeitenverkäufer aus Jujuy. Er ist per Anhalter gekommen, weil er sich nicht einmal die Busreise leisten konnte, und hat 18 Tage gebraucht, um Rio zu erreichen. Es sei eine „sehr harte Erfahrung“ gewesen, erzählte er nach seiner Ankunft. Doch wenn er Hunger hatte, habe sich immer jemand gefunden, der ihm etwas zu essen gegeben habe. Und jedes Mal, wenn er sich frustriert fühlte, habe er gebetet, sein Kreuz wieder auf sich genommen und fest darauf vertraut, dass „mein Glaube und mein Schweiß mich hierher bringen würden“.

Papst Franziskus auf ReisenPapst Franziskus auf Reisen
© Reuters

Brasilien: Papst Franziskus auf Reisen

Schon am Montag, am Ankunftstag des Papstes, hatte sich fast die gesamte argentinische Pilgerschaft in der Kathedrale von Rio zu einem Gottesdienst zusammengefunden. Der Präsident der argentinischen Bischofskonferenz, José María Arancedo, begrüßte seine Landsleute. Und Pater Vicente Bokalic, Weihbischof von Buenos Aires, Mitarbeiter des Papstes, als der noch Kardinal Bergoglio war, überbrachte den Jugendlichen eine Botschaft ihres Idols: „Jesus hat uns zusammengerufen.“

Die jungen argentinischen Pilger haben sich inzwischen in Rio eingerichtet. In ihren Berichten, die sie nach Hause mailen oder twittern, erscheint allerdings auch der Aufenthalt ähnlich strapaziös wie die Anreise. Sie müssen nicht nur dem ungewöhnlich schlechten Wetter trotzen, sondern sich vor allem in Geduld üben: beim Schlangestehen, um an den offiziellen Ausgabestellen den „Pilgerrucksack“ zu ergattern, mit einer Wartezeit von bis zu fünf Stunden; auf dem oft langen Weg zu den Veranstaltungsorten und schließlich auch beim Essen. Wer das „Pilgerpaket“ mit Verpflegung gebucht hat, erhält mit seinem Rucksack eine Art Kreditkarte, mit der in ausgewiesenen Restaurants, meist Schnellimbissketten, Mahlzeiten zu erhalten sind.

Massenveranstaltungen nicht gewachsen

Die wahren Strapazen warten auf die argentinischen wie alle anderen Pilger erst noch bei den letzten großen Veranstaltungen des Weltjugendtags am Wochenende, vor allem bei der Nachtwache von Samstag auf Sonntag und dem Abschlussgottesdienst auf dem riesigen freien Feld in Guaratiba, 50 Kilometer außerhalb von Rio. Um dorthin zu gelangen, bleibt nur der Transport in Bussen des öffentlichen Verkehrsnetzes. Die letzten 13 Kilometer müssen zu Fuß zurückgelegt werden. Wegen des anhaltenden Regens könnte der Platz, der 1,5 bis zwei Millionen Personen fassen soll und in einem früheren Sumpfgebiet angelegt wurde, zu einem einzigen Schlammfeld werden.

Für den Rückweg nach Rio müssten die Teilnehmer des Schlussgottesdienstes bis zu zehn Stunden einkalkulieren, sagte Bürgermeister Eduardo Paes. Das gesamte Verkehrssystem von Rio hat bereits jetzt während des Weltjugendtags gezeigt, dass es derlei Massenveranstaltungen nicht gewachsen ist. Am schlimmsten war der Ausfall der U-Bahn zur Hauptverkehrszeit wegen einer Stromversorgungspanne. Experten fragen sich, wie Rio im nächsten Jahr die Fußballweltmeisterschaftsspiele und vor allem die Olympischen Spiele 2016 mit einem derart anfälligen Verkehrssystem bewältigen will.

Ein Mate-Set als Gastgeschenk

Papst Franziskus hat zwar unmissverständlich kundgetan, dass er sich nicht in die Politik seines Heimatlandes einmischen will. Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner möchte sich dennoch offenbar nicht die Gelegenheit entgehen lassen, aus dem Besuch des Papstes in Brasilien zumindest ein wenig politisches Kapital zu schlagen, weil ja Wahljahr ist. Außer dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales ist sie bislang das einzige Staatsoberhaupt, das seinen Besuch auf dem Weltjugendtag angekündigt hat. Sie will am Schlussgottesdienst teilnehmen.

Frau Kirchners Verhältnis zu Papst Franziskus ist zwiespältig. Zu seiner Wahl hatte sie ihm mit einem fast unhöflich formellen Brief gratuliert, was ihren Ärger über den Aufstieg des früheren Kardinals Bergoglio zum Oberhaupt der katholischen Kirche mehr als deutlich ausdrückte. Sie und ihr verstorbener Gatte Néstor Kirchner hatten zuletzt die Predigten Bergoglios gemieden wie der Teufel das Weihwasser, weil er ihnen mächtig ins Gewissen redete. Frau Kirchner war dann allerdings bereits kurz nach der Wahl Bergoglios nach Rom gereist, um mit dem neuen Papst zu sprechen.

Seitdem gibt sich die argentinische Präsidentin als Verehrerin des Papstes – wie nicht wenige Beobachter mutmaßen, aus rein opportunistischen Gründen. Ihrem Beispiel folgend, äußern sich inzwischen praktisch alle Politiker des argentinischen Regierungslagers, die Bergoglio zuvor kritisiert hatten, positiv oder gar enthusiastisch über den argentinischen Papst. Frau Kirchner hatte während der Audienz in Rom als Gastgeschenk Franziskus ein Mate-Set überreicht und wortreich erklärt, wie es zu benutzen sei. Auf einen neuerlichen kapriziösen Brief, den sie ihm kürzlich schrieb, antwortete der Papst prompt. Er habe den sehr argentinischen Brauch, Mate zu trinken, nicht aufgegeben, teilte er ihr mit. Der sei viel leichter verdaulich als Kaffee oder Tee.

Quelle: F.A.Z.

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Franziskus in Brasilien: Der argentinische Papst

Franziskus in Brasilien

Der argentinische Papst


Von Josef Oehrlein, Buenos Aires / Rio de Janeiro

Zehntausende Argentinier sind nach Brasilien gereist, um Franziskus zu sehen. Auch Präsidentin Cristina Kirchner gibt sich neuerdings als Verehrerin.

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