Indian Wells. Drei Wochen lang hatte er sich im Februar in der kleinen, ziemlich überschaubaren Szene südamerikanischer Sandplatz-Turniere aufgehalten. Da nahm die Tennis-Welt zwar aufgeregt Notiz von der Rückkehr des Asche-Spezialisten Rafael Nadal, doch es blieben trotz Pokalgewinnen in Sao Paulo und Acapulco mehr als nur Restzweifel an einem Mann, der seinem Körper selbst noch nicht restlos vertraute.
Erstaunlich und überwältigend
Doch nun hat sich die Gefühlslage bei Nadal und die gesamte Macht-Architektur im Wanderzirkus schlagartig verwandelt - nicht nur den 4:6, 6:3, 6:4-Finalsieg gegen seinen Herausforderer Juan Martin del Potro (Argentinien) konnte der mallorquinische Kraftmeier in Indian Wells feiern, sondern auch den Sprung zurück auf Platz vier in der Weltrangliste. "Es ist einfach erstaunlich, aber auch überwältigend, was hier passiert ist. Nach diesen langen Monaten der Unsicherheit, der Fragen", sagte der 26-Jährige in der Stunde des Triumphs. Eines Triumphs, den er gewiss zu seinen emotionalsten Karriere-Momenten hinzufügen kann - vergleichbar fast mit Grand Slam-Siegen und dem ersten Sprung auf den Gipfel der Weltrangliste. "Diese Tage in Indian Wells werden immer einen großen Platz in meinem Herzen haben", sagte Nadal, der wegen Knieproblemen mehr als ein halbes Jahr pausiert hatte.
Entschieden hatte er sich erst auf den letzten Drücker, am Masters-Spektakel im amerikanischen Westen teilzunehmen, und dann ging er, reich beschenkt mit dem Höchstpreis und der Gewissheit, es zumindest bei ausgesuchten Turnieren auch auf den ungeliebten Hartplätzen mit jedem Rivalen der Welt aufnehmen zu können. Wie ein Alarmsignal für die versammelte Konkurrenz wirkte der Siegeszug des Langzeit-Patienten - vor allem der Zielspurt: Erst bezwang Nadal im Viertelfinale den altgedienten Weggefährten Roger Federer, dann schmiss er den unwägbaren tschechischen Könner Tomas Berdych aus dem Rennen - und schließlich überwand er auch noch die letze, finale Hürde - in Gestalt von del Potro.
"Einfach faszinierend" fand der ehemalige Weltranglisten-Erste Jim Courier Nadals jüngste Siegerstory. Wobei die Wertschätzung besonders das Endspiel betraf: Denn fast schien er schon geschlagen, der "Stier von Manacor" ("Marca"), als er mit 4:6 und 0:2 hinten lag. Doch wie in seinen besten Zeiten kitzelte diese Schieflage den unwiderstehlichen Kämpfer in Nadal heraus, einen, der immer wieder das Unmögliche möglich machen kann. Selbst gegen die Besten der Welt, selbst gegen einen wie del Potro, der im Viertelfinale Andy Murray und im Halbfinale Novak Djokovic besiegt hatte. "Am Ende hat er mich komplett überwältigt", sagte del Potro hinterher: "Rafa ist wieder da, daran sollte niemand einen Zweifel haben."
Keine Turnier-Hatz mehr
An der dauerhaften Präsenz des Spaniers auf den strapaziösen Hartplätzen allerdings bestehen Zweifel. Und da wirkte es fast schon symbolisch, dass Nadal seinen Start beim nächsten Masters-Millionenspiel in Miami nach dem Finale kurzerhand absagte. Die Botschaft des Verzichts war klar: Antreten wird er nur noch dort, wo es ihm nützlich erscheint. Und wozu er sich körperlich in der Lage fühlt. Die Zeiten des Herumhetzens über Kontinente und Zeitzonen, die Woche-für-Woche-Tortur in der dichtgepackten Saison - das ist vorbei.
Nadal ist zeitlich nur noch bedingt angriffsbereit, aber wenn er auf den Centre Court schreitet, dann mit aller Kraft, aller Leidenschaft und allem Herzblut. Seine nächsten Turnierstopps sind in Europa, auf den Roten Plätzen der Tennis-Karawane. Dort kann und wird er sich nach Herzenslust austoben und immer das große, lockende Ziel vor Augen haben - den einmaligen, den achten und rekordverdächtigen Sieg bei den French Open in Paris.