Die neuen Panzer

am ball schusterMit Deutschland ist jene Mannschaft Weltmeister geworden, die den Barcelona-Stil am besten weiterentwickelt hat. Warum Louis von Gaal, Jupp Heynckes und Pep Guardiola Anteil am deutschen WM-Triumph haben.

von Klaus Schuster

Es war das Finale, das man erwarten konnte. Niemand bildete sich ein, dass Deutschland nach Brasilien auch Argentinien vom Platz fegen würde.

Wie erwartet überließ Argentinien Deutschland die Initiative und nutzte gleichzeitig jede Möglichkeit um gefährliche Gegenstöße zu starten.

Argentinien spielte seinen Part eigentlich perfekt, machte sein stärkstes Spiel in diesem Turnier. Nur vergaß man das Wichtigste: das Ausnutzen der Torchancen!!

Und diese Torchancen entsprangen eklatanten individuellen Fehlern deutscher Spieler. Es war geradezu fahrlässig wie in der ersten Spielhälfte Higuain, nach einem völlig verunglückten Kopfballrückpass von Kroos, allein vor Neuer vergab. Palacio machte es in der ersten Hälfte der Verlängerung, nachdem Hummels die Flugkurve einer Flanke falsch eingeschätzt hatte, auch nicht besser, und normalerweise trifft Lionel Messi aus 11-12 m mit links flach ins lange Ecke, anstatt knapp daneben zu schießen.

Da erforderte der Treffer von Götze schon deutlich größere technische Fertigkeiten. Zusammen mit dem Kopfball von Höwedes an den Pfosten waren über die gesamten 120 Min. nicht mehr als zwei hochkarätige deutsche Torchancen auszumachen.

 

Für die Entwicklung des Fußballs ist es in jedem Fall besser, wenn eine homogene Mannschaft gewonnen hat. Ein Team, wo alle Spieler große Kenntnisse bezüglich des Zusammenspiels in der Offensive haben und wo jeder Spieler bereit ist bei gegnerischem Ballbesitz seinen Beitrag zu leisten, um ein Gegentor zu verhindern. Immer wieder betonten Trainer wie Spieler, dass Deutschland als Mannschaft funktioniere, während die meisten anderen Teams von der Form einiger Einzelspieler abhingen.

 

Die großen taktischen Innovationen geschehen im Fußball schon seit Jahren viel mehr auf Vereinsebene als bei den Turnieren der Nationalmannschaften. Vereinsmannschaften steht auch wesentlich mehr Zeit zum Training zur Verfügung.

 

Deutschland hatte diesbezüglich mit seiner Weiterentwicklung des Stils von Barcelona,  erweitert durch das hohe Pressing und das schnelle Umschaltspiel mehr zu bieten als Argentinien oder Holland. Beide Teams praktizierten primär Konterfußball über Messi und einem Robben in Topform.

Dies ist der erste WM Titel für eine europäische Mannschaft auf südamerikanischem Boden und der Beweis, dass sich dieser Sport weiter entwickelt hat. 1986 genügte noch ein (unglaublicher) Spieler, um den Titel zu holen. Das Scheitern der Brasilianer bewies, dass nur Leidenschaft und Emotionen zu wenig sind. Deutschland hatte, aufbauend auf die Arbeit beim FC Bayern, eine Mannschaft, wo jeder Spieler seine Aufgaben in Offensive und Defensive kannte, wo die Laufwege der Spieler so eingeübt wurden, dass dem Ballbesitzer immer zwei bis drei Lösungen zu Verfügung standen.

Schon seit mehreren Jahren entspricht die DFB Elf nicht mehr dem Klischee der deutschen Panzer, die zwar kampfstark, aber technisch unfertig sind.

Und das alte Vorurteil, dass die Südamerikaner am Ball die Zauberer und die Deutschen die Kampfmaschinen sind, wurde noch nie so eindrucksvoll widerlegt wie beim 7:1 gegen Brasilien!

 

Es bedarf immer einer gewissen Zeit bis die taktischen Erneuerungen auch bei den Nationalmannschaften zu Erfolgen führen: Die Holländer waren die Erfinder des totalen Fußballs. In den siebziger Jahren dominierten sie mit Ajax Amsterdam Anfang der siebziger Jahre den Europacup und wurden zweimal (1974 und 1978) Vizeweltmeister – in beiden Fällen verloren sie das Finale gegen das Gastgeberland. In den achtziger Jahren dominierten den Fußball Individualisten wie Maradona, der mit Argentinien 1986 Weltmeister wurde oder Platini, der mit Frankreich 1984 die Europameisterschaft im eigenen Land gewann.

1989 trat Arrigo Sacchi bei Milan auf den Plan und führte die Raumdeckung ein, Weltmeister 1990 wurde aber Deutschland und  spielte mit einem Libero und Manndeckern. 1994 verlor Italien unter Sacchi das WM Finale in den USA, erst bei der WM 1998 spielten die meisten Teams mit einer Viererkette, auch Weltmeister Frankreich.

Spaniens Siegen mit der Nationalmannschaft gingen die ersten Erfolge von Barcelona mit ihrem auf Ballbesitz ausgelegtem Kurzpassspiel voraus. Barcelona bildete gleich das Gerippe der spanischen Nationalmannschaft wie jetzt der FC Bayern das Gerüst der deutschen Nationalmannschaft bildet.

Drei Jahre, nachdem der FC Barcelona zum letzten Mal die Champions League gewonnen hat und anschließend seine Spitzenposition im Vereinsfußball verlor, vollzog sich nun also auch eine Wachablöse bei den Nationalmannschaften.

Deutschlands Stil wird geprägt durch die letzten drei Bayern-Trainer: Van Gaal, Heynckes und Guardiola. Insofern stellt das deutsche Spiel eine Weiterentwicklung des Stils von Barcelona dar: man ist so ballsicher wie einst die Katalanen, spielt aber phasenweise mit einem viel offensiverem und aggressiverem Pressing und schaltet bei einem Ballgewinn in der Nähe des gegnerischen Strafraums so schnell um, wie es Dortmund unter Trainer Klopp erfolgreich praktiziert.

Die größte Innovation bei diesem Turnier war die Art und Weise wie Manuel Neuer die Rolle des Torwarts interpretiert. Noch nie konnte man eine Nummer 1 bewundern, die einen so großen Raum vor seinem Tor abdeckt, die gegnerischen Pässe hinter die Abwehr frühzeitig erkennt und so brenzlige Situationen klärt – auch wenn er im Finale einen Foulelfmeter riskiert hat. Durch seine herausragenden technischen Fähigkeiten mit beiden Füßen ist er auch in der Spieleröffnung von großem Nutzen. Wenn es für einen der Abwehrspieler vor ihm einmal eng wird, dann weiß er, dass er ihm problemlos den Ball zurück spielen kann.

Man kann wirklich sagen, dass die Deutschen jetzt ganz einfach einmal dran waren. Bei den Großereignissen im Weltfußball für Nationalmannschaften stand Deutschland seit 2002 nur bei der EM 2004 nicht im Halbfinale – und jene Mannschaften gegen die man 2006, 2008, 2010 und 2012 verlor, mussten dieses Mal schon nach der Vorrunde die Koffer packen. Als Spanien und Italien nicht mehr dabei waren war der Weg für das DFB Team frei .

 

 

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